Vision zum Schaudern

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Vision zum Schaudern Foto: Raimond Spekking (wikipedia)
 
Künstliche Intelligenz ist das Thema von Frank Schätzings Thriller "Die Tyrannei des Schmetterlings".
   Wie der Autor wieder einmal über 700 Seiten den Spannungsbogen aufrechterhält und seine Erzählung wie einen normalen Krimi beginnen lässt, der in eine Zukunft weist, die jeden schaudern lässt, kann nur aus der Feder eines solchen Meisters des Erzählens stammen.
   Visionäre im Silicon Valley wetteifern um die Erschaffung eines Superhirns. Die selbstlernende Maschine ist so programmiert, das sie ständig dazulernt und sich selbst optimiert. Ihren Entwicklern schwebt nichts Geringeres vor, als mit dieser maschinellen Superintelligenz die Welt zu verbessern. Dazu füttern ihre Schöpfer sie mit ethischen Werten. Doch was passiert, wenn das Superhirn eines Tages entdeckt, dass der Mensch seinen Optimierungszielen im Wege steht? Folgerichtig muss dann der Störfaktor Mensch beseitigt werden.
   Das Motiv ist in der Literatur nicht neu. Es taucht auf in der Gestalt des Golem oder bei Frankenstein. Ein Schöpfer - genial - wähnt sich gottgleich und schafft eine Kreatur, die ihm zu Diensten stehen soll. Ein goldenes Zeitalter soll die neue Utopie bringen. Ohne Ungerechtigkeit, Leiden, Hunger, Krankheiten, Kriege, schließlich soll auch der Tod selbst der unvollkommenen Vergangenheit angehören. Das Ende ist wie in Goethes Zauberlehrling das genaue Gegenteil des Beabsichtigten. Die löblich gute Absicht führt direkt in die Katastrophe.
   Der Anfang des Buches spielt in Afrika, Bürgerkrieg. Ein apokalyptisches Spektakel zeigt sein grausiges Antlitz. Der Krimi, der am andern Ende der Welt in Amerika spielt, ist ein Wettlauf mit der Zeit, um das unvorstellbar grauenhafte biowissenschaftliche Zerstörungswerk noch zu stoppen.
   Ziemlich konstruiert allerdings wirken die Paralleluniversen, die der Autor in den Roman einbaut. Den Forschern gelingt es, in parallele Welten zu reisen, die vergleichbare Bedingungen wie unsere Erde haben mit einem entsprechenden technischen Standard, und wieder zurückzukehren. Das Faszinierende und zugleich Erschreckende ist, dass die Parallelwelten von jedem Menschen ein Double vorhalten. Mit entsprechenden Lebensgeschichten und ähnlichen Schicksalen. Der Leser teilt das Schicksal des Protagonisten und sucht verwirrt nach Orientierung. Provinzsheriff Luther Opoku gerät bei seinen Ermittlungen unwissentlich in ein solches Paralleluniversum. Die Personen aus seiner ersten Welt sind auch in der anderen vorhanden. Doch sind sie nicht dieselben. Es gibt kleine Unterschiede in den Biographien. Opoku zweifelt an seinem Verstand. Er macht dennoch unbeirrt seinen Job und versucht dabei, eins und eins zusammenzuzählen.
   In einem ruhigen Provinznest in der ehemaligen Goldgräberregion Sierra in Kalifornien gibt es einen rätselhaften Todesfall. Eine junge Frau ist in eine Schlucht gestürzt - Unfall, Selbstmord oder Mord? In der Parallelwelt, in die es Opoku verschlägt, gelingt es ihm, dieser Frau im letzten Moment noch das Leben zu retten. In dieser zweiten Welt, die zeitlich um ein, zwei Tage hinter der ersten herhinkt, beeindruckt er seine Kollegen, dass er Anrufe und Ereignisse vorhersagen kann. Der Kriminalist bringt sich in Lebensgefahr. Doch er geht der Spur nach, die ihn zu einem geheimenTestgelände inmitten eines beschaulichen Naturidylls führt, wo mysteriöse Experimente durchgeführt werden. Schließlich macht er die Bekanntschaft der Bosse des dahinterstehenden marktbeherrschenden Technologieimperiums. Der Countdown beginnt.
 
Info:  Frank Schätzing, Die Tyrannei des Schmetterlings. Köln 2018
 
Helga Widmaier
 
 
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