Kollektiv der Feigen Empfehlung

Eine der wichtigen deutschen Bühnen - das Deutsche Theater (dt) in Berlin. Dessen Intendant Ulrich Khuon war Festredner bei der Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen des Theaters der Stadt Aalen. Eine der wichtigen deutschen Bühnen - das Deutsche Theater (dt) in Berlin. Dessen Intendant Ulrich Khuon war Festredner bei der Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen des Theaters der Stadt Aalen.

Das ist schon bitter, sich dabei zu ertappen, wie man „Haut ihn in die Fresse!“ skandiert. Zwar nur theateröffentlich, doch immerhin öffentlich.

Das Deutsche Theater in Berlin bietet mit dem – weil unvollendet - selten gespielten Brecht-Fragment „Untergang des Egoisten Johann Fatzer“ eine spannende Gelegenheit, sich selbst zu erfahren.  

     Dieser Fatzer ist mit drei Kameraden aus dem 1. Weltkrieg desertiert, weil sie auf einen Umsturz hoffen. Unterschlupf haben sie bei der Frau eines von ihnen gefunden. Hier warten sie auf die Revolution. Vergebens. Die Verhältnisse, sie sind nicht so. Immer in Angst vor Entdeckung, radikalisieren sie sich gegeneinander: Aus der Furcht wachsen Misstrauen und Ausgrenzung. Der eigenwillige Fatzer wird mit seinen Alleingängen draußen vor der Tür des Verstecks zum Risiko für das Kollektiv der Feigen. Tödlich für ihn  (siehe Szene neun). Denn sie verleugnen ihn nicht nur wie einst Petrus seinen Herrn.

      Im Sinn des Brechts der Lehrstücke machen die Regisseure Tom Kühnel und Jürgen Kuttner das Publikum zu Mitwirkenden. Indem es Texte von einem Beamer abliest und skandiert, wird es zum Dialogpartner – und Komplizen. Es darf sogar die Abfolge von acht Szenen durch Losentscheid bestimmen. Nur die Neunte ist gesetzt. Ohne Schluss gibt’s eben kein Ende. Jürgen Kuttner erläutert zu Beginn das Strickmuster dieser Verhandlung eines „Jahrhunderttextes“ (Heiner Müller) und fungiert als Spielleiter, gelegentliche Konfusion inbegriffen. Kein Wunder, denn die Abfolge der gezogenen Szenen mischt den reinsten Zahlensalat.

    In ihren silberglänzenden Overalls wirken Andreas Döhler in der Titelrolle, Bernd Stempel, Alexander Khuon, Edgar Eckert und Natali Seelig wie Maschinenmenschen oder Schachfiguren auf dem Spielbrett des Publikums. Das findet rasch Geschmack an der galligen Sache. Schreit schlimme Sachen. Ist ja Theater. Ein tolles Alibi, um mal die Sau rauszulassen, dem tief sitzenden Atavismus Luft zu verschaffen. Merkt man die Absicht der Regie, ist man schon in die Falle getappt – und beschämt: Im Kollektiv des Rudels lässt sich gut Wolf sein.

     Manchmal trägt die Inszenierung in ihrer Wort- und Bildmacht zu dick auf, stranguliert das ansonsten tadellos grellherbe Musikerduo „Ornament und Verbrechen“ mit Lautstärke an der Schmerzgrenze einen Rap,  sattelt eine Videofilmerin noch eine Bildebene drauf. Es hätte von allem etwas weniger sein dürfen – und hätte immer noch genügt. Um die Individuen im Saal auf sich selbst zu verweisen und um zu zeigen, dass „die Moral in dunkler Zeit“ (so das Programmheft) der einsame Rufer in der Wüste kollektiver Vorurteile und Abwehrmechanismen ist.

                                                               -uss

 

Info: Der „Fatzer“ wird am 24. (20 Uhr) und 25. Januar (20.30 Uhr) sowie am 11. Februar (19 Uhr) gespielt. Karten: +493028441225. – In der Regie von Thomas Schmauser hat das Stück in der Fassung von Heiner Müller am 24. Februar in der Spielstätte Nord des Staatsschauspiels Stuttgart ebenfalls Premiere.

    

 

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