Weihnachtsoratorium als Krönung Empfehlung
- geschrieben von -uss
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Gejauchzt und frohlocket hat der Oratorienchor Ellwangen als Krönung seines 200. Jubiläumsjahres in der ausverkauften Stadtkirche mit Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“, dass es eine helle Freude gewesen ist.
Chorleiterin Mirjam Scheider hat für diesen Klassiker mit dem Barockorchester „L’arpa festante“ nicht nur ein hervorragendes, in der historischen Aufführungspraxis geschultes Instrumentalensemble, sondern auch wieder vier versierte Vokalsolistinnen und -solisten nach Ellwangen geholt. Tabe Schmidt mit ihrem klar strahlenden Sopran, Seda Amir-Karjan mit einer warmen, tragenden Altstimme, natürlich wieder den großen Bariton Daniel Raschinsky sowie den Tenor Christian Wilms. Dieser hat mit klarster Artikulation als Evangelist brilliert.
Die Aufführung beginnt programmatisch mit dem markant von Pauken und Trompeten begleiteten Chor „Jauchzet, frohlocket!“ Schon da offenbart sich das große Potenzial, das die folgenden zwei Stunden prägen wird. Getragen von höchster musikantischer Lust. Zwar ist das Gotteslob inhaltlicher Anlass, doch merkt man den Kantaten kompositorisch ihre weltlichen Anlässe an. Deshalb klingt dieses Oratorium auch so frisch. Eine Intention, die die Erzählung des Evangelisten ebenso durchzieht, wie die meisten anderen Chöre, Arien und Rezitative. Letztere haben durchweg ariosen Charakter. Also keine Spur von musikalischer Langatmigkeit.
Bach hat in diesem Oratorium geschickt Recycling betrieben. Der Choral „Wie soll ich dich empfangen“ hat die Melodie von „O Haupt voll Blut und Wunden“, die der Thomaskantor auch in der „Matthäuspassion“ und für den Choral „Nun seid ihr wohl gerochen“ verwendet, dem Finale des sechsten Teils und damit auch dieser Aufführung.
Für musikalische Abwechslung sorgen ferner die verschiedenen Kombinationen der Solisten. Im Choral „Er ist auf Erden kommen“ bieten Sopran und Bass ihr Rezitativ im Wechselspiel mit dem Chor dar. Im zweiten Teil treten Evangelist (Tenor) und der Engel (Sopran) zusammen auf. Im dritten Teil singen Sopran und Bass ein Duett („Herr, dein Mitleid“). Im sechsten Teil begegnen sich der Evangelist und Herodes, und vor dem Schlusschor im Rezitativ der vier Solisten das große Aufatmen: „Was will der Hölle Schrecken nun“.
Ein überragender Evangelist: Christian Wilms
Zwar setzen die Solisten und das Orchester eindrucksvolle Akzente; für die besonders erhebenden Momente sorgt indes der große Chor. Ob nachdenklich zurückhaltend oder mit voller Emphase zur Sache gehend, stellt er das Monument dieses Oratoriums dar. Das umschattete Adventslied „Wie soll ich dich empfangen“, das zuversichtliche „Ach mein herzliebes Jesulein“, „Brich an, o schönes Morgenlicht“ und der klangvolle Choral „Schaut hin, dort liegt im finstern Stall“. Schließlich der den dritten Teil eröffnende Chor „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“, und das energiegeladene „Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben“ zur Eröffnung des sechsten Teils.
Über vieles könnte man noch ins Schwärmen geraten, wie über die komplexe, ausgefeilte „Sinfonia“, mit der „L’arpa festante“ den zweiten Teil eröffnet. Oder die Alt-Arie „Schließe, mein Herz“ im Duett mit der Violine.
Überglücklich am Ende alle, das Publikum applaudiert stehend und ausdauernd, Blumen, Kusshändchen, strahlende Gesichter. Pure Freude!
Wolfgang Nußbaumer
(04.12.2024)