Des jungen Ritters harte Prüfung Empfehlung

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Liane Sadler (l.) und Annelise Ellars lassen das Mittelalter in England aufleben. Liane Sadler (l.) und Annelise Ellars lassen das Mittelalter in England aufleben. Foto: Hartmut Hientzsch

Eine zauberhafte Kantilene erhebt sich in die himmelwärts ragende Kuppel des Klosters der Franziskanerinnen in Schwäbisch Gmünd. Liane Sadler bläst sie auf ihrer Mittelalter-Traversflöte.

   Was für ein innig warmer Klang. So beginnt „The Tale of the Wyf of Bathe “; der kapriziöse Beitrag des “Ensemble Syrens” zum Festival Europäische Kirchenmusik.

   Die Erzählung der Frau von Bath ist eine der zahlreichen Geschichten, die der Engländer Geoffrey Chaucer im 14. Jahrhundert unter dem Titel „The Canterbury Tales“ gesammelt hat. Geschichten, die das Leben im Mittelalter mit all seinen Facetten schildern. Fromme, tragische, burleske, pikante, deftige, höfische, romantische und lasziv-erotische - was Pilger eben so hören wollten, um sich die Zeit auf ihrer langen Reise zu vertreiben. Der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini hat 1972 acht der Erzählungen in einer drastischen Bildersprache verfilmt und dafür heftige negative Kritik nebst einem „Goldenen Bären“ geerntet. Von deren Freizügigkeit sind Liane Sadler und ihre Partnerin, die singende Harfenistin Annelise Ellars, situationsbedingt meilenweit entfernt. Bei ihnen regieren Anmut und dezente Andeutung.

   Damit sich das Publikum ganz der Darbietung der beiden Schweizerinnen hingeben kann, hat EKM-Intendant Klaus Stemmler zu Beginn die Geschichte erzählt. Ein Ritter am Hofe von König Artus vergewaltigt eine junge Frau und soll dafür enthauptet werden. Die Königin setzt sich dafür ein, diese Strafe außer Vollzug zu setzen, wenn der junge Mann die Antwort auf die Frage herausfindet, was ein Weib zumeist begehrt.

   Der Ritter macht sich also reichlich rat- und ergebnislos auf den Weg, bis er eine alte Frau trifft, die ihm die Antwort weiß. Unter einer Bedingung: „Das erste Ding, das ich begehre, sofort zu thun, steht es in Eurer Macht“. Es geht um seinen Kopf, also stimmt er zu. Die Antwort hat emanzipatorisches Format: „Zu herrschen ist des Weibes Hauptbegehren! Die Gatten und Geliebten zu regieren und über sie das Regiment zu führen.“ Für diese rettende Auskunft soll er sie heiraten - das erste Ding, das sie begehrt. Mit der Alten ins Bett gehen? Bloß das nicht. Aber versprochen ist versprochen. Er willigt ein. Bedingungslos. „Dies oder das, mir gilt es einerlei, was dir gefällt, sei auch nach meinem Sinn!“ Dann geschieht der Froschkönigeffekt. Als er sie küsst, verwandelt sie sich in eine schöne junge Frau. Ende gut, alles gut.

   Liane Sadler erzählt diese Geschichte im mittelenglischen Originalidiom, begleitet von kommentierenden Liedern aus jener Zeit, die Annelise Ellars mit ihrem warmen Sopran voll Anmut interpretiert. Eine Stimme, die sich mit den ebenso warmen Tongirlanden der Traversflöte zu musikalischem Glücksgefühl vermählt. Zusammen haben sie in 70 intensiven Minuten mit einer Reise in längst vergangene Zeiten die Geschichte der Frau von Bath einem aufmerksam lauschenden Publikum mit viel Gespür für feine Nuancen nahegebracht. 

Wolfgang Nußbaumer  

(25.07.2024)  

         

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