Entdeckungsreise im Klangrevier Empfehlung

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Nikolaus Friedrich lässt das Klarinettenkonzert erblühen. Nikolaus Friedrich lässt das Klarinettenkonzert erblühen. Foto: -uss

Für das Frühjahrskonzert seines Kammerorchesters „Collegium musicum“ im Kulturbahnhof in Aalen hat dessen Leiter Manuel Durão ein so abwechslungsreiches wie klangschönes Programm ausgesucht.

   Eine Entdeckung und zugleich Gelegenheit für den in Aalen lebenden Klarinettenvirtuosen Nikolaus Friedrich sein großes Können zu zeigen, war ein Werk von Julius Rietz.

   Als Auftakt spielt der Streicherchor im Moll-getönten phrygischen Modus eine eingängige Erinnerung an den großen englischen Renaissancekomponisten Thomas Tallis. Innig, in einem Fluss mit wenigen solistischen Einwürfen bringt das Ensemble die „Fantasia on a Theme by Thomas Tallis“ des 1958 gestorbenen Komponisten Ralph Vaughan Williams zu Gehör.

   Jammerschade, wenn das Konzert für Klarinette und Orchester g-moll von Julius Rietz nicht wiederentdeckt worden wäre. Der von 1812 bis 1877 lebende Komponist, Cellist und Dirigent war einst hoch angesehen, geriet nach seinem Tod jedoch rasch und höchst unverdient in Vergessenheit. Wer Nikolaus Friedrich die prächtigen Kantilenen blasen hört, denkt vermutlich gleich an Klarinettenkonzerte von Mozart, Weber oder Louis Spohr. Nicht zu vergessen die Fülle moderner Kompositionen.

   Rietz ist noch ganz dem Geist der Klassik verbunden; expressives Temperament wie im ersten und dritten Satz ja, aber bloß keine Dissonanzen. Exemplarisch das herzerwärmende Adagio. Der portugiesische Dirigent und Tonsetzer hält mit seinem klaren, gestisch raumgreifenden Dirigat in dem Rietz-Werk klug die Balance zwischen dem Solisten und dem um Blech- und Holzbläser sowie einen Paukisten erweiterten Streicherensemble.

   Nach der Pause darf das Publikum musikalisch nach England reisen. Joseph Haydns Sinfonie Nr. 92 G-Dur trägt den Beinamen „Oxford“, weil sie bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde an ihn durch die britische Universität aufgeführt worden sein soll. Schon im brüchig anklingenden Adagio, das für die Streicher gleich eine intonatorische Hürde aufstellt, zeichnet sich der pessimistische Grundton des Werks ab. Er wird indes durch das aufschäumende Allegro spiritoso gleich relativiert.

   Diese Spannung zwischen Melancholie und optimistischem Melos prägt diese meisterhafte Symphonie; eine Spannung, die das durch und durch professionell agierende Orchester in allen vier Sätzen aufrechterhält. Eine klangliche Wundertüte das Adagio mit seinen instrumental-emotionalen Farbtupfern. Das wetterleuchtende Menuetto breitet für das abschließend fulminant auftrumpfende komplexe Presto quasi den roten Teppich aus. Nach diesem finalen Kraftakt kann auch der rhythmische Beifall das Orchester und seinen Leiter nicht mehr zu einer Zugabe bewegen. 

 

Wolfgang Nußbaumer   

(22.04.2024)

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