Im Bann vielfältiger Klänge Empfehlung
- geschrieben von -uss
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„In Paradisum“ hat die Leiterin des Oratorienchors Ellwangen, Mirjam Scheider, das religiös geprägte Programm des Konzertes in der barocken Stadtkirche überschrieben. Mut zum Kontrast mit Bach, Poulenc und Duruflé.
Im Paradies heißt für die Dirigentin nicht paradiesische Klänge. In ihrem Garten Eden wachsen auch Kakteen. Damit die Blumen umso besser erblühen. Als Gärtner hat sie sich der Dienste des britischen Orgelprofessors Andrew Dewar versichert, bei dem der Auftakt mit Johann Sebastian Bachs Fantasia und Fuge g-Moll in besten Händen und Füßen liegt.
Also hervorragend eingestimmt, muss das Publikum gleich den ersten Kontrast schlucken. Das Andante des Konzerts g-Moll für Orgel, Streicher und Pauken wandelt noch auf Bachs Spuren; doch dann geht es drunter und drüber. Oben der Organist, unten das bewährte Ensemble musica viva mit dem Paukisten. Trotz der Distanz stimmt die dynamische Balance, befinden sich Oben und Unten im perfekten Dialog. Süßer Streicherklang trifft auf dissonanten Orchesterhammer, weihevolle Stimmung auf forcierte Forteattacke. Der Kontrast sorgt für Spannung.
Gleiches gilt für das Hauptwerk des Abends, Maurice Duruflés „Requiem, op. 9“. Eine ausgefeilte, melodisch und klanglich vielfarbige Komposition mit diversen rhythmischen Hürden. Mirjam Scheider hat sich unter den drei Fassungen des Komponisten für die zweite mit Streichorchester, drei Trompeten, Orgel und Pauken entschieden, die dem Chor genügend Luft zur Entfaltung lässt.
Eigentlich sind es drei Chöre. Zwischen den Sopranen und den Altstimmen sind die Männer platziert. Sie beginnen im Zusammenspiel mit der Orgel die neun Sätze mit dem bewusst an einen gregorianischen Choral erinnernden „Requiem aeternam“. Die Soprane antworten, dann die Altstimmen. Schon in diesem Miteinander wird hörbar, dass die Männerstimmen des Oratorienchors Verstärkung brauchen. Der dritte Satz „Domine Jesu Christe“ entfaltet seine Dramatik wieder aus dem Kontrast von Piano und Fortissimo, von Trauer, Hoffnung und Glaubensgewissheit.
Mit ihrem zurückhaltenden, sanften Dirigierstil hält Mirjam Scheider die Fäden dennoch fest in der Hand. Wenn’s sein muss, kann sie den Taktstock allerdings auch wie einen schweren Säbel führen, um wie im 8. Satz „Libera me“ das Fortissimo vehement auszureizen. Wieder so ein Kontrast zum von Andrew Dewar an der Orgel sorgfältig umrahmten Unisono des „Requiem aeternam“ im 7. Satz und dem ergreifend innigen Schluss des „Agnus Dei“.
Ganz zart beginnen die Soprane zur Orgelbegleitung den 9. Satz. „In Paradisum“ ist kein strahlendes Finale, sondern ein gläubig ruhig verklingendes Amen.
Bevor wir das Publikum dankbar applaudieren lassen, verdienen die Mezzosopranistin Lena Sutor-Wernich mit ihrer eindringlich glaubensvollen und mühelos tragenden „Pie Jesu“-Arie und der Bariton Daniel Raschinsky für seine lyrisch stimmigen Einsätze hohe Anerkennung.
Wolfgang Nußbaumer
(25.10.22)