Prickelndes Vergnügen
- geschrieben von -uss
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Zwar müssen die rund 200 Konzertbesucher fünf Minuten im Halbdunkel der Aalener Stadthalle warten, bis sich etwas tut. Dann aber gewaltig.
Mit „Wien bleibt Wien“ steigen der Tausendsassa Patrick Sieben und seine „Stuttgarter Saloniker“ in ihr Neujahrskonzert ein. Fünf Mann nur; schließt man jedoch die Augen, glaubt man ein großes Orchester zu hören. Tatsächlich sollten es sechs Musiker sein. Eine junge kubanische Kollegin fehlt. Deshalb also der verspätete Beginn. Vielleicht komme sie ja noch, hofft Kapellmeister Siben. Vergeblich. So leicht kann den Mann mit der Melone auf dem Wuschelkopf indes nichts erschüttern.
Damit sind die fünf Herren an Violine, Cello, Kontrabass, Trompete und Flügel zwar auf sich allein gestellt. Was der Obersaloniker aus den 12.000 im Lauf der Jahrzehnte gesammelten, um die 100 Jahre alten, Salonmusik-Arrangements ausgesucht hat, klingt dennoch so komplex wie kompakt. Erstaunlich.
Vielleicht hätte eine zusätzliche Instrumentenfarbe die „schöne blaue Donau“ noch intensiver funkeln lassen, dem „Entertainer“ noch mehr Schmackes, dem „Limehouse Blues“ mehr Saft und dem Parforce-Ritt durch die „Fledermaus“-Melodien mehr klangliche Differenzierung verliehen. Was soll’s. Genug verbale Farbe bringt ohnehin der Vormann der Truppe mit seinen knitzen Ansagen ins Programm.
Ganz warm ums Herz wird es dem Publikum, als Patrick Siben einem italienischen Tenor und einer Sopranistin Gelegenheit gibt, in strahlendem Belcanto den Arienohrwurm „La donna è mobile“ aus „Rigoletto“ oder die Arie der Mimi und das Duett mit Rodolfo aus „La Bohème“ zu intonieren. Und ganz heiß beim napolitanischen Gassenhauer „Funiculì, Funiculà“. Da prickelt der Sekt, den der Patron eigenhändig in der Pause kredenzt, noch mehr.
Zum „Schlittschuhwalzer“ Emile Waldteufels hat sich zwar später trotz Schampusdopings niemand aufs Parkett gewagt; umso behänder wandern zu Richard Eilenbergs Galopp „Petersburger Schlittenfahrt“ drei Glöckchenbüschel, die der Chef zuvor ausgeteilt hatte, rhythmisch geschüttelt durch die Reihen. Und umso heftiger rührten die alten und neuen Saloniker-Fans beim finalen „Radetzky“-Marsch die Hände. -uss
Info: Patrick Siben hat verraten, dass die „Stuttgarter Saloniker“ in diesem Jahr ihr „Seenachtskonzert“ am 5. August auf dem Floß im Bucher Stausee geben werden.