Plädoyer für das Sein Empfehlung

Zwei, die sich auf Augenhöhe begegnen: Faust (Kristine Walther) und einer seiner beiden Maschinendiener. Zwei, die sich auf Augenhöhe begegnen: Faust (Kristine Walther) und einer seiner beiden Maschinendiener. Fotos: Peter Schlipf/Theater der Stadt Aalen

Was haben „Das Faustexperiment“ des Theaters der Stadt Aalen und die „Star Wars“-Filme gemeinsam?

Zwei gelehrige Roboter. Anders als R2-D2 und C-3PO haben sie zwar keine Kennzahlen; was nichts an ihrem sehr menschlichen Ausdrucksvermögen ändert. Die Maschinenwesen sind  dem fesselnden „Faust“ der Kristine Walther treue Diener – und Widersacher. Experiment geglückt.

  Als „ein multimediales Theaterstück für eine humane technologische Gesellschaft“ haben der Aalener Intendant Tonio Kleinknecht und der finnische Klangkünstler Marko Timlin ihr Projekt definiert. Mit dem geglückten Einsatz der visuellen, akustischen und von Studenten der Hochschule Aalen entwickelten robotertechnischen Mittel (Andreas Stelzer und Markus Knödler mit Beratung durch Prof. Ulrich Klauck) ist ihnen im Zusammenspiel mit ihrer überzeugend analogen „Faustin“ eine respektable Annäherung an den Mythos und zugleich dessen Fortschreibung geglückt.

     Diesen Wissenschaftler können weder seine unbefriedigenden Erkenntnisse noch Hab und Gut befriedigen. Dabei hat er in seinen mechanischen Kreaturen doch willige Diener. Kann das Haben die Welt in ihrem Innersten zusammenhalten? Kann es nicht. Darum geht es. Wie in „Faust I“ wird dieser alte Mann der Welt überdrüssig. Statt in der Phiole sucht er indes ganz zeitgeistig im „goldenen Schuss“ mit der Spritze die finale Lösung. Doch da meldet sich das Böse zu Wort. Im Kopf des Lebensmüden.

    Schon ist diese Inszenierung mittendrin in ihrer zentralen Figur. In der alles Wort wird. Und die ganz in weiß gekleidete Kristine Walther hat Sprache und Diktion dafür, ihre Kopfgeburten zum Leben zu erwecken. Wie sie sich im inneren Widerspruch windet, quält, stöhnend aufbegehrt, atemlos wispert – ein Monolog, dem man stundenlang zuhören und zusehen könnte. Doch nach einer Stunde wird es dunkel auf der Bühne im Wi.Z, nachdem die Erkenntnis des Seins als höchstem Wert Fausts Gemüt nachhaltig erhellt.

    Bis dahin durchlebt Faust vor und hinter Leuchtwänden, die der Videokünstler Marek Pluciennik mit assoziationsreichen Lichtspielen beredt erhellt, die ganzen mephistophelischen Versuchungen und Versprechen. Er erliegt dem Konsum. Seine Roboter attackieren ihn, als er sich vor der Welt fliehend in einen Gaze-Kokon einspinnt.

Giorgio Convertito_Foto von Peter Schlipf (7).JPG

    Und jetzt kommt Erich Fromm ins Spiel. Das erstrebte Sein hat einen Körper; einen Tänzer mit grauem Wuschelkopf. Ziemlich uninspiriert hüpft und springt Giorgio Convertito - gefühlt stundenlang - zu einer für diesen Solisten eher ungeeigneten Minimal Music, stampft auf, fällt in Kung-Fu-Posen – und total ab. Bis er Faust endlich aus seinem Kokon befreit und mit der Kunststoffbahn über die Bühne zischt. Zu allem Unglück hat man ihn noch in das triste erdgetönte Gewand eines antiken Ziegenhirten gehüllt.

   Was bleibt? Ein empfehlenswertes Faustexperiment im digitalen Zeitalter. Ein sinnvolles Plädoyer für das gefährdete Mensch-Sein. 

Info: "Das Faustexperiment" wird noch am 20./21./27. und 28. 10. und am 3./4./10. und 11. März (letzte Aufführung) jeweils um 20 Uhr im Wi.Z gespielt. Kartentelefon: 07361-522600

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