Pirmin Langs "Bohei"

Der Maler Pirmin Lang (l.) im Gespräch mit Vernissageredner Wolfgang Nußbaumer Der Maler Pirmin Lang (l.) im Gespräch mit Vernissageredner Wolfgang Nußbaumer Foto: Benedikt Walther

"Bohei" hat der aus Ellwangen stammende Maler Pirmin Lang eine Ausstellung im Atelier Knoedler überschrieben.

 Der Begriff bedeutet ein großes Tamtam, oder viel Lärm um nichts. Ist dieser Titel also ein Fake? Eher das Beispiel für ein künstlerisches Versteckspiel, wie Wolfgang Nußbaumer in seiner Einführung bei der Vernissage aufgezeigt hat. Nachfolgend seine Rede: 

Bohei? Wir sehen die Malerei von Pirmin Lang und grübeln: Was haben diese Bilder mit einem Bohei zu tun? Nichts Wildes, nichts Aufgepfropftes, nichts Aufgeplustertes. Pirmin Langs Bilderwelt scheint eher ruhig nach innen zu blicken, als sich zu extemporieren. „Der Titel hat ja auch nicht direkt etwas mit der Ausstellung zu tun“, räumt er ein. Nicht direkt. Also indirekt? Mit einem Augenzwinkern gibt er zu verstehen: Bohei sei einfach ein schönes Wort. Nun könnte ich sagen, trau keinem Wort eines bildenden Künstlers. Denn deren Profession ist ja zu bilden und nicht zu reden. Dann meint er noch, er sei kein Bohei-Typ.

    Es ist an der Zeit, diesem Begriff Bohei auf den Grund zu gehen. Remidemmi ist darin enthalten, großes Tamtam, auch viel Lärm um nichts. Über die etymologischen Wurzeln streiten sich die Geister. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt das Wort aus dem Hebräischen oder Jiddischen. 

    Schönes Wort? Viel Lärm um nichts? Pirmin Lang, der sich selbst für keinen Bohei-Typ hält, schätzt offensichtlich das Versteckspiel. Wie viele Künstler, die sich im Feld des magischen Realismus bewegen. Gegen diese Einordnung hat er nichts einzuwenden. In diese kunsthistorische „Schublade“ ist er nahezu zwangsläufig geraten. Ihn interessiert vor allem der Weg zum Bild, dessen Entstehung, der Prozess an sich. Sein Thema ist also nicht der horror vacui, die Angst vor der leeren Leinwand. Denn dann müsste er permanent sich selbst erforschen, mit jedem Bild. Deshalb greift Pirmin Lang auf vorhandenes Bildmaterial zurück. Er findet es in seiner Fantasie, in seinen Erinnerungen, in Publikationen oder im eigenen Fotoarchiv.

    So weit, so gut. Aus diesem Fundus schöpfend, ergibt sich rasch eine konkrete Bildidee. Und damit die Entscheidung, sich auf deren Ausführung festzulegen. Im Kopflabor arbeiten die grauen Zellen im Akkord. Taugt die Vorgabe dazu, sie künstlerisch zu überhöhen – oder sollte man die Finger davon lassen. Wenn ich Pirmin Lang richtig verstanden habe, ist er ein Meister im Verwerfen.

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Er gehört zum kulturpolitischen Urgestein Ellwangens: Helmut Rieger im Gespräch mit Frau Hilsenbek.

    Zu Beginn seiner Bildforschung hat er es mit ganz exakter Planung versucht. Exakte Planung bedeutet im kreativen Bereich eben, sich frühzeitig festzulegen. In dieser Sackgasse hat er sich rasch umgedreht und einen Paradigmenwechsel vorgenommen. Am Anfang stand jetzt die Freiheit, die Idee. Tachistisch hat er die Leinwände bearbeitet.  Das war wiederum zu viel der Unwägbarkeiten, des malerischen Zufalls – so es den überhaupt gibt. Der geplante Zufall ist keiner.

      Folgerichtig hat Pirmin Lang keinen Kompromiss, sondern den für ihn goldenen Mittelweg gefunden: Er geht von einer realen Vorstellung aus, ob visuell vorgefunden oder aus dem inneren Bildspeicher abgerufen. Daraus ergibt sich allerdings das bereits genannte Problem, allerdings in abgeschwächter Form: Er legt sich wieder von vornherein fest. Und empfindet als Künstler rasch die Fessel. Dialektisch gesehen, bedingt die Fesselung die Befreiung, den Aufbruch zu neuen Ufern. Bedingt sie, die Unwägbarkeiten zu wagen, die der Schritt ins Ungewisse mit sich bringt, wenn er die Vorlagen verfremdet und uminterpretiert. Vielleicht sind deshalb seine perspektivisch angelegten Bilder voller Rätsel – und Zitaten der Kunstgeschichte. Angesiedelt sind sie auf dem Feld des „Magischen Realismus“. Ein weites Feld.

Der Vorteil des "Magischen"

      Schlägt man im „Lexikon der Kunst“ nach, wird man beim entsprechenden Stichwort gleich zur „Neuen Sachlichkeit“ weiterverwiesen. Eine Zeitlang haben diese beiden in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts geprägten Begriffe ein- und denselben künstlerischen Sachverhalt bezeichnet. Wobei der Magische Realismus den Vorteil des Magischen hatte. Der Tiefe, des Rätselhaften, des die Wirklichkeit hinterfragenden und ins Geheimnis weiterschreibenden Prozesses. Deshalb hat er bis heute in der bildenden Kunst (siehe unser leibhaftiges Beispiel) und in der Literatur überlebt (beispielhaft nenne ich Daniel Kehlmann und Patrick Süskind für die deutschen und Isabelle Allende und  Gabriel Garcia Márquez für lateinamerikanischen Schriftsteller).  

     Pirmin Langs Arbeiten sind zwar von magischer Metaphorik geprägt, schreiten jedoch, wie schon erwähnt, die Geschichte der modernen Kunst ab. Cézanne, Matisse, Pierre Roy, die auch von Pirmin Lang geschätzten Francis Bacon und Giorgio Morandi und auf lokaler Ebene der frühe Sieger Köder und der Aalener Kunsterzieher Karl Reich, der von 1901 bis 1981 gelebt hat, fallen einem ein. Aber wie gesagt, Langs Schaffen ist weder epigonal noch kopierend, sondern von einer persönlichen Handschrift geprägt. Sie kennt eine weite Farbpalette und deren differenzierten Einsatz ebenso, wie eine vielfältige Formensprache, die wiederum genuin aus der Farbe lebt.

     Abschließend darf ich aus dem Programmheft „Sommer in der Stadt“ zitieren. Dort lesen wir das Fazit: „So ergeben sich malerisch vielschichtige Bilder, die dem Betrachter die Möglichkeit für eigene Assoziationen bieten wollen.“ Viel Spaß dabei!

Info: Die von der Karl Heinz Knoedler Stiftung ausgerichtete Ausstellung ist bis 20. August jeweils sonntags von 14-17 Uhr sowie nach Vereinbarung mit dem Kulturamt der Stadt Ellwangen Tel. 07961/84207 zu sehen.

 

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