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Herr Bach in der St.Johann Kirche

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Herr Bach stand insgeheim hinter dem Konzert in der Aalener St. Johann Kirche, zu dem einer seiner treuesten Verehrer eingeladen hatte: Thomas Haller (Foto links).

Der Kirchenmusikdirektor hat sich (und macht sich noch immer) wie kaum ein anderer in der Region um die Musik des einstigen Thomaskantors verdient gemacht, ist es doch nicht zuletzt der regelmäßig stattfindende "Bachzyklus", der den Musikfreunden die große Zeit barocker Kirchenmusik nahebringt.

Diesmal in besagter St. Johann Kirche, besser Kirchlein, denn allzu groß ist der aus dem 9. Jahrhundert stammende Bau nicht, aber er steht für eine der ältesten Taufkirchen des Landes, in deren Grundfeste sich Spolien (großformatige Kalk- und Tuffquader) römischer Provenienz finden. Für Bachs Musik selbstredend nebensächlich, für die Atmosphäre in der mit romanischem Freskenzyklus versehenen Kirche durchaus bedeutend.Gerade beim aktuellen Konzert spielte das Empfinden keine unwesentliche Rolle. So mag dem einen oder anderen protestantischen Kirchgänger das Herz aufgegangen sein, standen doch teils wohlbekannte „Geistliche Lieder und Arien“ aus Georg Christian Schemellis Gesangbuch auf dem Programm. Der spätere Hofkantor in Zeitz (heute Sachsen-Anhalt) war von 1695 bis 1700 Schüler der Thomasschule in Leipzig. Bekannt wurde er durch sein "Musicalisches Gesang-Buch" (erschienen 1736), von dessen 954 geistlichen Liedern lediglich 69 mit Noten (Melodie und Bassstimme) versehen wurden.

Inhaltlich stehen sie in der Tradition des Pietismus, im Charakter gleichen sie schlichten Arien und Chorälen. Bach soll an der musikalischen Realisierung beteiligt gewesen sein, unklar ist allerdings, in welchem Umfang. Dennoch sind sie im Bach-Werke-Verzeichnis unter der fortlaufenden Nummerierung  439 bis 507 notiert, wenngleich lediglich BWV 452, 478 und 505 als gesicherte Bach-Bearbeitungen gelten. Sei´s drum, am Wohlklang der Musik gab es nichts zu rütteln, ganz gleich, wer letztlich der Kompositeur war.

Zum Gelingen des Konzerts trugen insbesondere die Dresdener Altistin Britta Schwarz (Gesang) und Orgelrestaurator Kristian Wegscheider (Lesung) bei. Und - nicht zu vergessen - Thomas Haller, der nicht nur an der Allgeyer-Orgel die Lieder begleitete, sondern auch Jugendwerke von Bach vortrug. Wobei noch Tobias Wolber erwähnt werden muss, der als Kalkant (Balgtreter) die alte Orgel über einen Blasebalg mit Wind versorgte, bedarf doch geistliche Orgelmusik in der St. Johann Kirche dank originaler Instrumententechnik (1802 vom Wasseralfinger Orgelspezialisten Josef Nikolaus Allgeyer gebaut) nach wie vor menschlicher Muskelkraft. Übrigens zur Freude der Zuhörer, wird doch das schöne Musizieren ab und an vernehmlich von heimeligem Knarren begleitet. Fünf Tage nach "Maria Lichtmess" darf zum Konzertauftakt noch unmissverständlich von "Der Tag ist hin, Die Sonne gehet nieder" (BWV 447) gesungen werden, schließlich bricht nicht nur rund um den St. Johann Friedhof bereits die Dunkelheit herein. Folgerichtig setzt Britta Schwarz zum anschließenden "Jesu, meines Glaubens Zier, wenn ich traure, meine Wonne, wenn es Nacht ist, meine Sonne, mein Verlangen für und für" (BWV 472) an.  Ein drittes Lied folgt, in dem "Geist und Seele, Leib und Leben, Herz und Sinn" besungen wird, ein Zitat aus "Jesu, deine Liebeswunden" (BWV 471).

Spätestens ab hier ist die angenehme Atmosphäre dieses Bach-Abends spürbar, das wohlige Empfinden beim Erklingen alter Kirchenlieder. Selbstverständlich auch des vorzüglichen Gesangs der Altistin wegen. Britta Schwarz, die sich seit vielen Jahren intensiv der Barockmusik widmet, geht Schemellis Lieder mit klarer und leicht lyrisch angelegter Stimme an, mit einer kräftigen und doch verhaltenen. Das deckt sich mit der "protestantisch" geleiteten (Orgel-) Melodieführung, der Thomas Haller die notwendige Zurückhaltung verleiht. Freien Lauf hingegen kann er sich bei den den Bachschen Orgelvariationen I und II zu "O Gott Du frommer Gott" lassen, mal behutsam und nachdenklich, mal luftig und verspielt, gelegentlich auch in feierlichem Duktus.


Nicht zu vergessen Kristian Wegscheider: 2014 sorgte der Dresdner Orgelbauer als Restaurator dafür, dass die Allgeyer-Orgel wieder wie ein Sonntagsinstrument klingt. Beim Konzert trat er allerdings in wenig handwerksmeisterliche Fußstapfen, sondern erheiterte mit Anekdoten rund um Johann Sebastian Bach, beispielsweise mit der "unglaublichen Begebenheit aus dem Jahr 1973", als Wegscheider in der Dorfkirche Liemehna höchstpersönlich ein uraltes Manuskript gefunden haben will, in dem sich ein H.C. Snerha (ein Tipp: von rechts nach links lesen) über die Bach-Stimmung auslässt - ganz nach dem Motto "Ernst ist das Leben, heiter die Kunst" (Schiller).Eine gute Gelegenheit, um nochmals auf Britta Schwarz und Thomas Haller und deren musikalischen Reprise auf die Wegscheiderschen Humoresken zurückzukommen. Mit Hingabe widmeten sie sich den ausgesuchten Liedern aus Schemellis Gesangbuch, ermöglichten so einen Einblick in die musikalische wie religiöse Welt der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts. Im markanten Widerspruch zur aktuellen fünften Jahreszeit, wie Bernhard Richter feststellte. Besonders gefiel dem  Stadtpfarrer, dass so viele Zuhörer in die St. Johann Kirche gekommen waren, um alte Kirchenmusik zu hören, statt mit Margit Sponheimer "Am Rosenmontag bin ich geboren" zu singen. Bach und Schemelli sind eben nachhaltiger, zumal alles Fastnachtliche bekanntermaßen am Aschermittwoch eh vorbei ist.

Nicht so der Bachzyklus, denn der meldet sich bereits kommenden Monat mit der "Johannespassion" (BWV 245) wieder (Stadtkirche, 20.März, 18 Uhr).

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