Klangbillard mit Schattenspiel Empfehlung

Der Klangkörper als Gesamtkunstwerk Der Klangkörper als Gesamtkunstwerk Foto: -uss

Nachdem Ania Losinger ihre beiden mannshohen Stöcke wieder in einem filigranen Gestell in luftiger Höhe verstaut und ihr Partner Mats Eser seine Klöppel aus der Hand gelegt hat, brandet ihnen in der ausverkauften Johanniskirche von Bravorufen begleiteter frenetischer Beifall entgegen.

     Warum eigentlich? Weil das Publikum einer magischen Meditation beiwohnen durfte? Weil es Teil eines spirituellen Rituals wurde? Weil es darüber staunen durfte, wie man mit Tönen Klangbillard spielt? Oder weil das Mysterium einer klangkörperlichen Erscheinung von höchster dynamischer Ästhetik es Zeit und Raum vergessen ließ? Wo doch gerade Zeit und Raum bestimmende Koordinaten dieser, ja was nun - Performance? Tanz-Musik? Konzert-Tanz? Klangbewegung? – waren.

     Selten liest man diese Mischung aus Begeisterung und Ratlosigkeit nach einer EKM-Veranstaltung in den Gesichtern. „Das pack’ ich intellektuell nicht“, gesteht ein Zuhörer. Weil dieses emotionale Ereignis nur mit dem Bauch, also dem Gemüt, zu fassen ist? Wieder nein.

    Um diesen Effekt der Entgrenzung zu erzielen, muss alles stimmen. Kein Platz für Improvisation, wenn  Ania Losinger, die mit ihrem in einen hautengen ärmellosen schwarzen Einteiler gehüllten biegsamen Stahlfederleib  wirkt, wie gerade einer antiken Tragödie entstiegen, mit Stöcken und Schuhabsätzen das von ihr mit entwickelte Bodenxylophon Xala tanzend bespielt.

    Rhythmisch stanzt sie die Töne in den mit zahlreichen Clustern gewirkten Klangteppich, den Mats Eser auf  Marimba, Vibraphon, Zimbeln und anderen Becken und einem kaum überschaubaren Inventar an Percussiongerätschaften ausbreitet.

 

Losinger und M.JPG

Applaus und Blumen für ein kongeniales Duo.

 

     Das Programmheft erklärt, was das Publikum in „Music for an Open Space“ sehend hört: „Zwölf musikalische Bilder ertönen aus der Stille, jedes in sich um einen Grundton kreisend, aufgereiht im Quintenzirkel der abendländischen Musik.“

    So viel zur Theorie. In der Praxis versetzt eine schöne Schamanin die Teilnehmer einer Séance in eine wohlige Trance. Oder kreist hier eine in sich ruhende Amazone auf Flamencoschuhen um sich selbst – unnahbar nah. Führt ein Samurai bedrohlich seine Klingen? Oder ist sie die Hohe Priesterin eines religiösen Rituals? Würde gut zu diesem erhabenen Raum mit seinen steinernen Bewohnern aus alter Zeit passen.

    Einer von ihnen hat unter seinem gekrönten Haupt interessiert Mats Eser über die Schulter geschaut. Seinem kleinen Nebenmann haben die Scheinwerfer die statischen Hände mit einem Schattenschlagzeug belebt. Das Licht verwandelt auch die schlanke Gestalt der Tänzerin in eine Riesin, die wie die Klänge selbst auf Stelzen durch das Kirchenschiff wandert – und deformiert die Schöne in der Diagonalen auf einer Säule hinter ihr zu einer surrealen Figur. Ein Schattenspiel der besonderen Art in der Stadt des Schattentheaters.

    Ja, diese in jeder Hinsicht raumfüllende Performance könnte einen endlos räsonieren lassen. Das eigentliche Geheimnis dieses Abends?  Schluss! 

Wolfgang Nußbaumer                   

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