Der Reiz des Fragmentarischen

Vivien Sigmund vor einer der Aufnahmen ihres Mannes im Stuttgarter Rathaus. (Foto: jow) Vivien Sigmund vor einer der Aufnahmen ihres Mannes im Stuttgarter Rathaus. (Foto: jow)

Nachbemerkungen zu einer Foto-Ausstellung in Stuttgart mit Ostalbbeteiligung.

„Fragmente“ lautete der Titel einer sehenswerten Ausstellung im Stuttgarter Rathaus. Dort hat die GEDOK Fotoarbeiten von Holly Davey aus Cardiff, Natalie Wolf aus Paris und den Stuttgartern Matthias Bumiller, Eva Schmeckenbecher und Martin Sigmund gezeigt.  

Eingeführt in die Ausstellung hatte charmant und präzise die aus Aalen-Ebnat stammende Kunsthistorikerin Vivien Sigmund. Auf der Ostalb kennt man sie noch unter ihrem Mädchennamen Moskaliuk. Er bürgte für Qualität – gerade auch wenn sie für die Kulturseite von „Schwäbischer Post“ und „Gmünder Tagespost“ zur Feder griff.    

Inzwischen Frau des bekannten Stuttgarter Fotografen Martin Sigmund und Mutter eines kernigen, aufgeweckten zweijährigen Jungen, arbeitet sie vor allem für die GEDOK Stuttgart. Diese „Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer e.V.“ ist 1926 in Hamburg gegründet worden. Ihr Ableger in der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg ist sehr breit aufgestellt. Neben Konzerten, Lesungen, Performances und Ausstellungen gibt es kunst- und kulturtheoretische Vorträge, Workshops, Professionalisierungsseminare, Atelierbesuche und Feste. In der GEDOK weht ein frischer Wind. Ihn spürte man auch in der Ausstellung „Fragmente“.    

Erfrischend ehrlich weist Vivien Sigmund auf eine grundsätzliche Schwäche der Fotografie hin. Sie könne immer nur ein Fragment sein in der Abbildung von Wirklichkeit. Zwangsläufig fixiert auf einen Ausschnitt von Welt – und mag er noch so groß sein; und konfrontiert mit dem Problem, deren Dreidimensionalität zweidimensional zu fassen. Ganz zu schweigen davon, dass die Sichtweise des Fotografen zwangsläufig subjektiv ist und er sich deshalb immer eine eigene Wirklichkeit schafft. Also hat Fotografie für die Kunsthistorikerin „mit Wirklichkeit erst einmal nichts zu tun“. Fotografien seien Konstrukte. So wie das menschliche Gehirn aus verschiedenen Sinneseindrücken erst die Wahrnehmungen zu einer komplexen in sich schlüssigen Wirklichkeit zusammenfügt. Indem es sie sortiert, ergänzt, kombiniert und verknüpft.   

Dieser Prozess durfte als Wegweiser durch diese fragmentarische Bilderwelt dienen. In ihr traf man auf  den archivierenden Blick, der die Erinnerung aufbricht und skelettiert (Holly Davey); auf die Konterkarierung der alltäglichen Bilderflut durch den selbst erzeugten Fototsunami (Eva Schmeckenbecher); auf das facettenreiche und irritierende Abbild einer Welt aus der Summe von nicht in den üblichen Wahrnehmungskanon des Alltags passenden Details (das Künstlerpaar Nathalie Wolff und Matthias Bumiller). Schließlich der schwarzweiß geschärfte dokumentarische Blick auf im Grunde banale Straßenszenen bei Martin Sigmund, die bei näherer Betrachtung innere Widersprüche und Brüche offenbaren und so plötzlich über sich selbst hinausweisen – oder wie es die Referentin formuliert, „beiläufig ein Bild menschlicher Verfasstheit zeichnen“.    

Für die Gestaltung der Titelseite des Programms zum Neujahrskonzert des Staatsorchesters Stuttgart ( s. Bericht auf dieser website) hat der Layouter ebenfalls eine Sigmund-Aufnahme verwendet.           jow

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