Das Lob der Melancholie Empfehlung

Ralf Brög erläutert Vernissagegästen eines seiner Objekte, dessen Form bereits in einer Radierung Dürers mit dem Titel "Melancholie" aufgetaucht ist. Ralf Brög erläutert Vernissagegästen eines seiner Objekte, dessen Form bereits in einer Radierung Dürers mit dem Titel "Melancholie" aufgetaucht ist. Fotos: Peter Hageneder

Zwar durchziehen Ralf Brögs „Melencolias“ seine Ausstellung im Kunstverein Aalen wie ein roter Faden.

Menschen mit Neigung zur Melancholie müssen dennoch beim Gang durch die drei Stockwerke im Alten Rathaus, auf denen der Kunstverein die unglaublich weit gespannte Schau zeigt, keinen depressiven Schub befürchten. Hoher ästhetischer und intellektueller Genuss ist garantiert.

     Man darf vermuten, dass die Gene daran nicht ganz schuldlos sind. Sein Vater, der Kunstprofessor und Philosoph Hans Brög, war zusammen mit Barbara Wichelhaus ebenfalls schon beim Kunstverein zu Gast; mit dabei Ralf Brög. Aber das ist schon 16 Jahre her. Jetzt kommt der 50-Jährige als Solist. Was er indes zeigt, hat Orchestercharakter. Digitales und Analoges, Raumkörper und Körper im Raum, Radierungen, Prints aller Art, handgemachte Pinsel-Malerei und computergenerierte, die genauso aussieht.

Ein Soundstudio der besonderen Art. Zwei riesige Schallplatten (Pigmentierter Inkjetdruck auf Papier und auf Alu-Dibond), die sich nicht drehen und eine aufgeklappte Schrankwand, aus der Stimmen und Klänge zu dringen scheinen. 

Staunen ist angesagt – und wundern sollte man sich nicht über Schallplatten an den Wänden. Sie sind riesengroß, echt als Kunstobjekt – und klingen nicht, weil sie sich nicht drehen. Dennoch singt’s und klingt’s und spricht’s aus einer Art aufgeklappter Schrankwand. Diese entpuppt sich im erklärenden Dialog zwischen dem Künstler und dem sich einmal mehr als wandelndes Kunstlexikon offenbarendem Vorsitzenden Artur Elmer als historisches Zitat.

Voller Zitate hängt, steht, tönt diese Ausstellung, voll verfremdeter Hinweise, virtuoser Aneignungen und – Rätsel. Obwohl alles klar auf der Hand liegt, meint Elmer. Wie in der vierteiligen Serie von Radierungen, auf denen Ralf Brög Schamhaare faszinierend präzise perfekt in eine - natürlich - komplexe geometrische Form bringt. Kunst für Mathematiker, an der auch Menschen ihr Vergnügen haben, die gerade noch einen Dreisatz beherrschen.

   Ralf Brög arbeitet gerne seriell, dekliniert ein Thema in Werkgruppen durch, bis es erschöpft ist. Wie die verschiedenen Polyeder, mit deren Oberflächen – sie optisch verändernd - das Licht spielt. Sie ruhen im goldenen Schnitt ganz in sich, sind im Lot, obwohl sie aus der Sicht des Betrachters eigentlich gleich umkippen müssten. Pate stand ein entsprechendes Objekt auf einer Radierung von Albrecht Dürer mit dem Titel „Melancholie“.

ZR-NIKE heißt dieses Raumobjekt. Man kann es auch als dreidimensionale Zeichnung lesen.

   Ein pures ästhetisches und geistiges Vergnügen bietet die Entdeckungsreise durch Ralf Brögs „Isolation“-C-Prints. In Klassikern der Kunstgeschichte scheinen im Wortsinne Details auf, die dadurch einen ganz besonderen Stellenwert erhalten. Ohnehin spielt die Transformation, also die Umformung im weitesten Sinne, eine entscheidende Rolle in Brögs multimedialem Schaffen. Er impft seine Schöpfungen mit seiner DNA. Signifikant, wegweisend. Und seine Eltern hielten sich bei der Vernissage ganz bescheiden im Hintergrund.

Wolfgang Nußbaumer 

Info: Die Ausstellung ist bis 30. Juli Di-So 10-12 und 14-17 Uhr, Do bis 18 Uhr zu sehen; www.kunstverein-aalen.de

 

 

    

 

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