Auszeit von der Zeit Empfehlung

Auszeit von der Zeit

„All you need is love“ hat das Publikum in der ausverkauften Schloss-Scheune in Essingen zusammen mit den vier Sympathieträgern des Machado-Quartetts aus voller Kehl und mit seligen Augen zum Schluss gesungen. Ein letzter Glücksmoment nach reichlich zwei Stunden einfallsreichster Gitarrenkunst.

    Schöne Musik und ein gutes Buch halten zwar die Zeit nicht auf – aber sie unterdrücken wirkungsvoll das unerbittliche Ticken des inneren Sekundenzeigers. Das nennt man Glück. Dieses Glück hatte das Publikum des Machado-Quartetts. Erwartungen übererfüllt – der Vorsitzende der Kulturinitiative, Ralf A. Groß, strahlte.

     Wie hält man die Zeit am besten an? Indem man so tut, als ob sie klinge – jede Sekunde. Wie in Bernhard Prüflingers Komposition „Tickin’ “. Darin liegt das Geheimnis dieser Gruppe, die sich nach dem zeitgenössischen brasilianischen Komponisten  Celso Machado benannt hat: In ihren Transkriptionen von Stücken quer durch die klassische und südamerikanische Kammermusik lassen sie keinen Stein auf dem anderen. Dennoch fühlt man sich in dieser Klangarchitektur sofort wohl, wenngleich nicht zuhause – so fremd das Bekannte, so bekannt das Fremde.

   Ingo Veit, der Boss mit dem Barte, die kühle Blonde mit der Lizenz fürs Filigrane, Stefanie Kobras, der virtuose Virtuose Perry Schack und der um keinen verwegenen Einfall verlegene Ex-Rocker Prüflinger befreien das Gitarren-Quartett aus den Los Romeros-Fesseln. Selten hat man eine Telemann-Sonate so tänzerisch frisch gehört, wie von diesen über 24 Saiten wirbelnden 40 Fingern. Musik, die glücklich macht. Ein Blatt Papier auf den Saiten raschelt wie ein Reibestab, während in Piazzolas unerbittlich melancholisch vorwärts treibendem Tango ein echter Jazzbesen über den Korpus kehrt.

    Allein über die klang- und lautschöpferischen Elemente könnte man eine Seite voll schreiben – und hätte noch nicht die Uraufführung von Bernhard Prüflingers Trilogie gewürdigt, zu der er sich von Wolfgang Herrndorfs fantastischem Jugendroman „Tschick“ inspirieren ließ. Einem sanften Lufthauch gleich, schwebt der langsame Satz über das bewegte Meer, in das die Scheinwerfer mit ihrem grünlichen Licht den Rauputz auf der Wand hinter dem Quartett verwandeln.

    Mit einem prickelnden Spritzer Comedy impfen die Vier  die „Mückenjagd“ des Kubaners  Leo Brouwer. Nichts schäumt über; außer nach den mit schräger Percussion befeuerten brasilianischen Tänzen ihres Vorbildes Machado und Manuel de Fallas spanischem Tanz als Zugabe die Glücksgefühle der Zuhörerinnen und Zuhörer. „All you need is love“.

 

Wolfgang Nußbaumer            

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