Mit 70 hat sie noch Träume Empfehlung

Lächelnd blickt Marita Kraus in die Zukunft. Lächelnd blickt Marita Kraus in die Zukunft. Fotos: -uss

Selbst an ihrem 70. Geburtstag am 4. April wird Marita Kraus nicht zufrieden gewesen sein. Weil sie eine Perfektionistin ist.

Schlecht für eine Künstlerin wie sie, die sich von der Produktion keramischer Hühner zur permanenten Auseinandersetzung mit dem Goldenen Schnitt als universellem Grundmuster hochgearbeitet hat. Heute lässt  die einstige Sportlehrerin keinen Zweifel an ihrer im Laufe der Jahre gewonnenen Erkenntnis: „Mathematik ist das einzig Wahre, die wahre Schönheit.“

     Schon seit Jahren beschäftigt sich die Aalenerin mit niedersächsischen Wurzeln mit der Fibonacci-Thematik.  Ausgelöst hat diese Leidenschaft ihr verstorbener Bruder. Peter Richter hat als Professor für theoretische Physik an der Universität Bremen gelehrt mit dem Schwerpunkt Chaosforschung. Ihn beschäftigte der Goldene Schnitt als das glatte Gegenteil des Wirrwarrs schon lange. Aber eben als Naturwissenschaftler, für den nur rationale Fakten zählen.

     Fakten, wie sie der italienische Mathematiker Leonardo da Pisa, auch Fibonacci genannt, auf der Basis seiner Studien der arabischen Mathematik zu Beginn des 13. Jahrhunderts fortgeschrieben hat. Der Rechenmeister aus Pisa hat einst herausgefunden, dass das Wuchsverhalten der Pflanzen einem gesetzmäßigen Ablauf unterworfen ist, und dass dieses Zahlenkonzept auch in vielen anderen biologischen Bereichen auftritt. Diese Entdeckung spiegelt sich in einer Zahlenreihe wider, die nach Fibonacci benannt ist und irgendwann durch Addition und Teilung zur Zahl Phi (0,6180339) führt. Dem „goldenen Schnitt“. Seine Zahlenfolge, mit er die Entwicklung einer Kaninchenpopulation beschrieb, fand er auch in Fruchtständen und Blattansätzen verschiedener Pflanzen wie der Sonnenblume vor.

Marita Kraus erklärt den Zusammenhang zwischen ihrer Zeichnung eines Möbius-Bandes, das formal ohne Anfang und Ende ist, und dem Goldenen Schnitt.

    Dieser goldene Schnitt und seine Entsprechung, der „Goldene Winkel der Natur“ mit 137,5°, haben Marita Kraus fasziniert. Bilden sie doch die Basis jeder harmonischen Erscheinung. Sie verweist auf die alten Griechen, die den Goldenen Schnitt schon als „göttliche Proportion“ bezeichnet hätten. In ihren Bildern und Skulpturen arbeitet sie intensiv an der Umsetzung dieses „genialen Bauplans“.

 Gleich nach dem Frühstück geht’s hinab in ihre Werkstatt vor die Leinwand oder zum plastischen Material. Gerne verwendet sie dafür Fundstücke vom Schrottplatz. In dessen Chaos findet sie Inspiration und all die technischen Überbleibsel für deren Umsetzung. Wie passt das mit ihrer Maxime zusammen, ihre Kunst sei eine Hommage an die Schöpfung. Den Schlüssel liefert ihre Erkenntnis, dass der Goldene Schnitt „ein alles durchdringendes Ordnungsprinzip“ für die belebte und unbelebte Natur und sogar für kosmische Erscheinungen sei.

    Und so müht sich die Neusiebzigerin in ihrem Atelier damit ab, Chaos und Ordnung in sich selbst, im Bild und der Plastik unter einen künstlerischen Hut zu bekommen. Ihr aktuelles Lieblingsbild zeigt eine in einem expressiv, also chaotisch aufgeladenen Weltall treibende durchlöcherte Kugel. Dieses Lochmuster folgt einer Fibonacci-Reihe. Wie der Kampfstern aus dem „Krieg der Sterne“ explodiert diese Kugel; die Ordnung löst sich im Chaos auf. Vielleicht ein Symbol für den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen – oder für eine Erde, die unter den Attacken ihrer Bewohner stirbt.

    Es geht viel vor in diesem Kopf mit den immer noch strahlend blauen Augen. „Jetzt träume ich von...“, setzt Marita Kraus zu sprechen an. Doch dann hält sie inne, lächelt und fragt, ob ich nicht ein Stück von ihrem frisch gebackenen Butterkuchen versuchen wolle. Ich will. Ein Traum. Pure Harmonie im Mund. In diesem Glücksmoment ist mir der Herr Fibonacci völlig egal.

Wolfgang Nußbaumer 

Info: Zusammen mit der Stadt Aalen und der Hochschule plant Marita Kraus für das Frühjahr 2018 eine Ausstellung zum „Goldenen Schnitt“. Die Kunst soll dabei im Kontext weiterer Aspekte zum Generalthema präsentiert werden. 

 

            

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