Mensch und Raum

Ismael Ivo frei Nach Francis Bacon Ismael Ivo frei Nach Francis Bacon Fotos: Dieter Blum und Judith Lutz

 

Er wollte nie Emotionen auslösen oder gar abbilden. Ihm ging es darum, den menschlichen Körper zu studieren. Zu zeigen, wie er ist.

 Dass die Bilder des Francis Bacon dennoch niemand unberührt lassen, liegt auf der Hand. So viel gemalter Schmerz, so viel Verknäuelung, Verstümmelung und Gliedmaßenreduktion – das tut einfach weh. Was dem ästhetischen Genuss dieser brachialen Schönheit, die von der Staatsgalerie Stuttgart mit 40 großformatigen Gemälden und selten gezeigten Arbeiten auf Papier bis 8. Januar 2017 vor Augen geführt wird, keinen Abbruch tut.

 

Eine nackte Sphinx, mit ihren Beinen in einem weißen Sack und einem Schlachtermesser als Krücke. Ein nackter Körper, der von der Decke hängt wie Schlachtvieh. Und Ismael Ivo sich windend, nach Atem ringend. Auf der Theaterhausbühne scheinen Bacons Bilder zum Leben zu erwachen.

   Mit dem 1993 im Theaterhaus Stuttgart uraufgeführten und 2012 für »ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival« neu inszenierten Stück „Francis Bacon“ ist der brasilianische Tänzer und Choreograph Ismael Ivo auf Einladung der Staatsgalerie Stuttgart an seine Ursprünge zurückgekehrt. Während der Eröffnungswoche der Ausstellung „Francis Bacon. Unsichtbare Räume“ war die spektakuläre Performance zum ersten Mal im direkten Vergleich mit Gemälden des irischen Malers zu erleben.

 

   Das von physisch höchster Intensität geprägte Tanzstück von Ismael Ivo und Johann Kresnik bearbeitet 21 Werke aus der Serie der Papststudien. Darunter ist auch Velázquez‘ Porträt des Papstes Innozenz X., das Bacon zu einer zombiehafte Karikatur inspirierte. Mit ihr endet diese tänzerische Annäherung an die Fleischwerdung des Künstlers. Ismael Ivo zieht die goldene Krone wie eine Sturmhaube über das Gesicht. Er verschwindet in den unsichtbaren Räumen, die der Maler aus asymmetrisch verlaufenden Linien für seine Figuren gezimmert hat – ein Rahmenwerk, aus dem es kein Entrinnen gibt. Wo sie zur Schau gestellt sind, wie sein schon 1955 entstandener „Schimpanse“ im Zoo.  

   Zuvor hat der 1955 geborene Tänzer zusammen mit seinen Assistentinnen Elisabetta Violante und Valentina Schisa sowie dem jungen Tänzer Rônni Maciel in einem natürlich asymmetrischen Bühnenraum die Bacon-Bilder in extrem ausdrucksstarke Bewegung versetzt. Psychische Zustände, Wünsche und Obsessionen erhalten einen mitunter kaum auszuhaltenden physischen Ausdruck. Eine doppelte Pointe erhält diese Performance durch die Tatsache, dass Ivo mit seinem muskulösen, virilen Körper zwar immer noch über ein Bewegungsvokabular verfügt wie ein Zwanzigjähriger – dessen müheloser Geschmeidigkeit man jedoch phasenweise die Mühe anmerkt. Umso näher kommt diese Ikone des Ausdruckstanzes der Aura des Verfalls, die viele der Baconwerke kennzeichnet. 

Info: Die Ausstellung „Francis Bacon. Unsichtbare Räume“ in der Staatsgalerie Stuttgart ist bis 8. Januar 2017 Di-So 10-18 Uhr, Do -20 Uhr geöffnet. Öffentliche Führungen Do 18 Uhr und Sa/So 15 Uhr. Mehr Infos unter www.bacon-staatsgalerie.de

 

 

 

 

 

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