Gewinnende Unordnung Empfehlung

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„Von jetzt auf gestern“ hat der schauspielende Liedermacher Michael Fitz beim Kleinkunstabend des Ellwanger Kulturvereins „Stiftsbund“ versucht, sich selbst auf die Schliche zu kommen.

Wobei er seinen Zuhörerinnen und Zuhörern im einmal mehr aus den Nähten platzenden Atelier von Rudolf Kurz gestand, zwangsläufig mit diesem Vorhaben Schiffbruch erleiden zu müssen. Sich selbst zu beurteilen sei eben saumäßig schwierig. Vor allem bei einem Menschen, in dessen Kopf  „eine ziemliche Unordnung“ herrsche.

    Was „Hinter meiner Stirn“ vorgeht, hatte der 57 Jahre alte Münchner gleich am Beginn eines ausgedehnten Abends verraten. Man war gewarnt. Tatsächlich ist dieser Multikönner mindestens so schwer – begrifflich - zu fassen, wie „Thomas Crown“. Wegen diverser, für ihn misslungenen, medialen Versuche hat der Vetter der Kabarettikone Lisa Fitz beschlossen, diese Aufgabe selbst zu lösen. Wer möchte schon wechselweise als „bayerischer Bob Dylan“, als „Tatortkommissar auf dem Weg zu Bob Dylan“ tituliert oder in andere Zusammenhänge mit dem großen Amerikaner gebracht werden. Einer, der selbst die Poesie im Kopf und die Musik im Blut hat. Seine fünf akustischen Gitarren, auf denen er sich akkordisch und „fingerpickend“ mit klarem Ton und schönem Klang virtuos hören lässt, stehen optisch dafür.

    Also singen und spielen kann er prima. Doch wer ist der Mann, der als Quintessenz der zwölf Lieder seiner neuen Solo-CD diese mit „Dös bin i“ überschreibt? Versuchen wir ihn zu justieren. Eine schöne Frau neben mir urteilt über den ein wenig an Trainerschwarm Jürgen Klopp erinnernden großen schlanken Typ mit dem Pferdeschwanz: „Doch, der Mann sieht gut aus – und Gitarre spielt er prima...“ Ihre Nachbarin assistiert: „Der macht Musik, wie er aussieht. Klasse. Aber das, was ich versteh, oh je...“

    Was wiederum dem Michael Fitz nichts ausmacht. Denn der hat schon damit gerechnet, dass von den Inhalten seiner sehr persönlichen Songs, die er in seinem Südstaatenslang ins Mikro raunt, schluchzt, donnert und zärtlich nuschelt, seine außerbayerischen Fans nur 40 Prozent verstünden. „Das reicht!“ Denn wie gesagt, hinter seiner Stirn herrscht wie bei allen normalen Männern, um die es bei ihm neben normalen Frauen und deren normalem Miteinander mit besagten Männern geht (Stichwort „Beziehungschaos“), hinter dieser Stirn also herrscht eine ziemliche Unordnung.

    Weil sich alle deshalb im Grunde verstehen, versteht jeder, auch wenn er nichts versteht, was das für ein Scheißgefühl ist, wenn man in einer Beziehung plötzlich als Single rumhängt („“Irgendwo dahintn“, warum man feige ist („Aufs Eis“),  mit seiner Lebenszeit umgeht, als ob man sie im Überfluss hätte (As diafa glegte Lebm“), oder in einer Beziehung dank lange eingeübter Verhaltensmuster und Reaktionen immer den Kürzeren zieht („Schleidasitz“). Das ist wie bei James Blunt oder Milow - auch wenn man nicht versteht, was sie singen, treffen sie mitten in Herz und Gemüt.

    Mit seinen Anmoderationen hat der kernige Bayer allerdings erfolgreich jedwede Rührseligkeit im Keim erstickt. Denn seine Fähigkeit, von hinten durch die Brust ins Auge des Liedes zu treffen, ist im Wortsinn fast grenzenlos. Deshalb war ein Teil des Publikums höchst dankbar, dass der andere Teil nach über zweieinhalb Stunden von diesem Konstantin Wecker für Fortgeschrittene (a bisserl Etikett muss sei...) nicht mehr „Zugabe“ gefordert hat.    jow

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