Kunst von der Rolle Empfehlung

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Raumgreifende und dezente Malerei von Dietmar Lutz und André Niebur in der Galerie des Kunstvereins Ellwangen im Schloss.


Nach der großartigen Malerei der großen toten südwestdeutschen Künstler Helmut Rieger und Artur Stoll de Norso zeigt der Kunstverein Ellwangen jetzt vitale und zerbrechlich wirkende Malkunst zweier quicklebendiger Vertreter ihrer Zunft.


Damit hat sich Kurator Uli Brauchle einen weiteren Traum erfüllt. Den in Ellwangen geborenen saftig auftragenden Krieg-Schüler Dietmar Lutz hatte er schon lange im Visier. Und dieser hat seinen Düsseldorfer Künstlerkollegen André Niebur mitgebracht.     Mit dieser Doppelausstellung hat Brauchle wie bei der vorangegangenen Kunstschau wieder zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Denn wirkungsvoller könnte der Kontrast nicht sein, in dem Lutz’ saftig-kraftvolle Farbenpracht zu der kalligraphisch intonierten Introvertiertheit seines Freundes und Kollegen André Niebur nicht sein, mit dem er in der Düsseldorfer Künstlergruppe „hobbypopMUSEUM“ zusammenarbeitet.  
 
Bezeichnete man die großformatigen Malstücke des 48 Jahre alten Ellwangers als Kunst von der Stange, wäre das keineswegs despektierlich. Tobt er sich doch mit energiegeladenem Pinselduktus auf  Leinwänden aus, die von der Rolle kommen. Völlig von der Rolle – ist er gleichwohl nicht. Dazu zeigt sich sein zur Farbe gewordenes Personal viel zu sehr im Hier und Jetzt vernetzt. Indem er jedoch mit flächigen Wischeffekten, dem freihändigen Umgang mit Perspektive, leger gehandhabter anatomischer Genauigkeit und irritierenden Bildelementen seine Szenarien verfremdet, geht er gesellschaftlichen Kontexten auf den Grund.


Darin zeigt sich Dietmar Lutz dem Spätwerk der österreichischen Malerin Maria Lassnig ebenso verwandt wie seinem Lehrer Dieter Krieg. Dem konnte kein Gegenstand banal genug sein, um ihn nicht malerisch zu adeln. Erinnert sei nur an dessen gigantische „Spiegeleier“. Darin übrigens ähnlich dem oben schon erwähnten Artur Stoll de Norso.


Wie sie alle hält auch Lutz das Banner der schon wiederholt für tot erklärten Malerei hoch – mit einer im Wortsinn ausgebreiteten metaphorischen Prophezeiung. Indem er seine ganz schlicht mit Klebestreifen an den Wänden befestigten Bilderzählungen quasi als Teppich den Raum erobern lässt, verkündet er: Die Malerei ist so endlos wie meine Leinwände von der Stange. Wenn das nicht tröstet.


André Nieburs feinnervige, linear bestimmte Acryl-Kompositionen haben es schwer, sich neben den Lutz-Arbeiten zu behaupten. Zumal sich ihre gestalterische Anmutung in der Summe leider egalisiert. In der Ruhe mag zwar die Kraft liegen, doch bei Niebur lösen sich letztlich Farbe und Form in einem ästhetischen Nirwana auf.


Einleitend hatte der Kunstvereinsvorsitzende Roland Hasenmüller die zahlreichen Vernissagegäste begrüßt. Er erinnerte daran, dass sich Lutz und Brauchle schon seit gemeinsamen Malversuchen im Ellwanger Jugendzentrum kennen. Mit Hasenmüller hoffen sicher alle, denen der Weg über die zahlreichen Stufen hinauf in die Residenzräume inzwischen zu beschwerlich ist und diejenigen, die unter der Last der Kunst auf diesen Treppen schon gestöhnt haben auf die Fertigstellung des Aufzugs im Lauf des nächsten Jahres.


Anschließend versuchte Andreas Hauber in seiner wortgewandten Einführung den Bogen von seinen eigenen Erfahrungen mit den verschiedenen Aspekten von „Obatztem“ (handfester bayerischer Brotzeit-Käseklassiker) zu der Erkenntnis zu schlagen, dass Kunst hilft, hinter das Gewohnte zu blicken, die Wahrheit hinter den Dingen zu entdecken und das Alltägliche auf seine Relevanz hin zu hinterfragen. Ob er  letztlich Käse geredet habe, müsse jeder selbst entscheiden, hatte er einleitend den Rahmen abgesteckt, in dem sich Kunst, Rede und Wahrnehmung begegnen.

Info: Die Malerei von Dietmar Lutz und André Niebur ist bis 28. August Sa 14-17 So/Feiertag 10.30-16.30 Uhr im Schloss ob Ellwangen zu sehen; www.kunstverein-ellwangen.de     

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