Kein Verdacht auf Manipulation Empfehlung

Foto: Peter Hageneder Foto: Peter Hageneder

Der 4. Fachsenfelder Kunstsalon widmet sich der zeitgenössischen Fotografie.

valentina


Den wesentlichen Hinweis auf das Wesen der Ausstellung „Lügen haben lange Beine“ auf Schloss Fachsenfeld gibt eine Porträtserie des Aalener Profis Peter Hageneder gleich am Anfang. Der Fotograf stellt darin der ungeschminkten jeweils die geschminkte Realität gegenüber. Der Kurator des diesmal im Zeichen des Lichtbildes stehenden 4. Fachsenfelder Kunstsalons, Hermann Schludi, nennt diese Konstellation beispielhaft für die Frage, was wahr sei und was objektiv.    

Wenn sich ein Mensch so zurechtmachen lässt, dass er seinem eigenen Bild von Wirklichkeit entspricht, handelt er subjektiv wahrhaftig. Außerdem sieht er ganz objektiv besser aus. Rasch erkennt man, wie die Begriffe verschwimmen. Den objektiven Blick durch das Objektiv gibt es nicht. So lautet Schludis Prämisse zur Fotografie.  

Ob sie deshalb in ihrem Bestreben, als künstlerisches Medium die Welt wahrzunehmen, tatsächlich der permanenten Versuchung unterliegt, auf langen Beinen zu lügen, wie der Ausstellungstitel suggeriert, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Abwandlung des Sprichworts spielt zum einen auf die digitalen Manipulationen an, mit denen ein Model-Körper idealisiert wird; zum andern will er signalisieren, wie groß die Möglichkeiten der Täuschung sind. Merkt man indes die Absicht und erkennt, sie ist gut, ist man nicht verstimmt. Das heißt, wir als Betrachtende anerkennen die gezeigte Wirklichkeit als wahr.      

Um diese Wahrheit geht es in diesem Kunstsalon mit 160 Arbeiten von 21 Fotografinnen und Fotografen aus Aalen, seinen Partnerstädten St. Lô, Cervia und Antakya. Einer von ihnen ist der Aalener Bild-Redakteur Oliver Giers. Wie sein schon oben erwähnter Kollege stellt er zwei fotografische Herangehensweisen einander gegenüber: die künstlerische mit einem tiefgründigen Blick auf das Motiv konfrontiert er mit der massenhaft informativen in Form einer Instagram-Montage. Der digital ermöglichte Foto-Tsunami mag zwar das künstlerische Potenzial des Mediums diskreditieren; andererseits empfindet man dessen mannigfache thematische und gestalterische Selbstbehauptung auf Schloss Fachsenfeld als umso wohltuender.


 Wohltuend die Bilder kommentierend sind auch die Songs des Ostalb-Claptons Axel Nagel. Er steuert mit Stimme, akustischer Gitarre und Sythesizer „Kodacrome“ von Paul Simon bei. Quasi mit Doppelbelichtung und Collagetechnik als Reminiszenz an die analoge Zeitrechnung. Vor der Begrüßung der zahlreichen Gäste durch den Stiftungsvorsitzenden, Aalens Oberbürgermeister Thilo Rentschler, hatte der Multiinstrumentalist mit den „Pictures of Lily“ auf den lichtbildnerischen Exkurs eingestimmt.       

Dieser umfassende Überblick offenbart zweierlei: Wie weit gefächert die bildnerischen Mittel sind – und wie eng letztlich die Grenzen gezogen sind, an die sie stoßen. Diese erfährt man nicht als Déjà-vu-Erlebnis sondern als Motiv, das man einem ähnlich arbeitenden Foto-Künstler zuordnen könnte. Eine eigene Handschrift zu entwickeln ist schwer und nur in einer Einzelschau überhaupt erkennbar. Ob es sich nun um den Klassiker „Porträt“ handelt, um Natur und Landschaft, die Stadt en gros und en détail, im engen Kontext dazu die Architektur, der dokumentarisch-situative Reportageblick; schließlich die Reduktion auf Aspekte des Motivs oder des Motivs selbst.      

Was bringt Spannung, was Atmosphäre, was die ansprechende Ästhetik? Natürlich das Spiel mit Licht und Schatten, mit grafischen Elementen, mit den Kontrasten gesellschaftlicher Themen (der auf dem Boulevard liegende Obdachlose) und gestalterischer Polarität (das blaue Tau im Chaos grauen Strandguts etc.), mit Schärfe und Unschärfe, Nah- und Fernsicht und und und. Alle Themen können dem betrachtenden Auge mythisch, rätselhaft, surrealistisch verfremdet, seine Historie zitierend, dokumentarisch, in hellem Licht und dessen sich im Dunkel verlierenden Resten begegnen.  

 
Als Sehhilfe und Erinnerungsstütze empfahl Aalens OB Thilo Rentschler den Katalog (die 5 Euro sind gut angelegt). Ganz „basisdemokratisch“  haben die Besucher ferner wieder die Möglichkeit, per Abstimmung einen Publikumspreis zu vergeben.

Folgende Fotokünstler stehen zur Wahl:
Necmettin Burgcak, Kurt Entenmann, Oliver Giers, Harald Habermann, Peter Hageneder, Jiri Heller, Sarah Hinderberger, Peter Kruppa, Rolf Lindel, Ursula Maier, Simone Manzo, Hubert Minsch, Jane Motin, Franz Müller, Kamil Okuyan, Luca Piovaccari, Bernard Scarpa, Peter Schlipf, Daniel Schludi, Gian Paolo Senni, Ina Watzlawik. Info: Der 4. Fachsenfelder Kunstsalon ist bis 11.  September geöffnet.

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