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"Die Zitrone hat noch Saft"

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Eigentlich wollte der "Sheriff von Linsenbach" nachdenklich über Leben und Gerechtigkeit sinnieren, doch da der Hauptdarsteller erkrankte, schickte ihn die Württembergische Landesbühne Esslingen ins Bett und den Freunden des Aalener Theaterrings eine musikalische Revue.

Mit bester Empfehlung, denn die "Schnabeltassen" waren mehr als nur ein verlegenes Ersatzprogramm. Auch wenn die Thematik Alter, Alte und Altenheim ein höchst sensibles ist.

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Doch die Tübinger Autorin Petra Afonin versteht es, mögliche Konflikte zwischen Betreuungsnotwendigkeit und einem altersunabhängigen menschlichem Freiheitsdrang in fabelhaft humorvolle Szenen einzubinden. Unumgängliche Voraussetzung für den musikalischen wie komödiantischen Blick über die Mauern eines Altenheims.

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Gleich acht Schauspieler bittet Regisseur Thomas Goritzki auf die Bühne der Stadthalle, um gemeinsam mit der schwäbelnden Pianistin Susanne Hinkelbein, das vorgeblich triste Alltagsleben der bunt zusammengewürfelten Seniorenzwangsgemeinschaft unter einem Dach zu veranschaulichen. Doch wer nun ein mehr oder weniger melancholisches Sozialdrama erwartet, irrt. Denn das ruhige Zusammenleben der Alten wird nicht durch die Schnabeltasse bestimmt, sondern allzu menschlich durch Zipperlein, Tratsch, Klatsch und Intrigen.

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Dass dabei die männliche Minderheit der weiblichen Dominanz nicht immer kavaliersgerecht den Hof macht, muss nicht eigens erwähnt werden. Dennoch bringt und hält etwas Außergewöhnliches die umtriebige Hausgemeinschaft zusammen: der Chorgesang, ein in vielen real existierenden Senioreneinrichtungen unverzichtbares Unterhaltungsangebot, das Emotionen und Erinnerungen freien Lauf lässt.

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Bei den "Schnabeltassen" ganz nach dem Motto der Schauspielerin Lotti Huber "Diese Zitrone hat noch Saft".  Da darf das harmlose „Itsy Bitsy Teeny Weenie Honolulu-Strand-Bikini“ ebenso wenig fehlen wie „Auf am Wasa graset D’Hasa“, da steigen die Alten wie Grönemeyer aufs Autodach, hier sinnigerweise auf den Rollator, um ein gequältes „Bochum“ zum Besten zu geben. Doch die in die Jahre gekommenen Hypochonder, Neider, Gehbehinderte, Parkinsonleidende und Demenzkranke - nicht zu vergessen die in jeder Abteilung vertretenen losen Gockel und damenhaften Grazien - haben selbstredend noch mehr drauf. Besonders beliebt sind die Gassenhauer aus den Zwanzigerjahren, die rauchigen Hildegard-Knef-Chansons und die sonnigen Sommerschlager.

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Daraus speist sich die Turbulenz in Permanenz, die dem Stück Schwung und jede Menge Unterhaltungspotential verleiht - ob beim Kampf um die Gunst des Personals und den vollen Teller oder beim eifersüchtigen Tête-à-Tête, wohlwissend darum, dass "Männer alle Verbrecher sind" (Hildegard Knef) und dass in fortgeschrittenem Alter sehr wohl mehr, als nur „Marmor, Stein und Eisen bricht“ (Drafi Deutscher).

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Das Schauspielerensemble präsentiert die nach wie vor beliebten Ohrwürmer mit außerordentlich viel Humor, manchmal auch mit ein wenig Melancholie, denn wer einmal in der "Wartehalle des betreuten Wohnens" angekommen ist, darf zwar von Capris roter Sonne (Vico Torriani) träumen und "Ich brauch Tapetenwechsel" (Knef) singen, aber es wächst zugleich die Erkenntnis, dass man "der Hoffnung Glanz und der Freiheit Licht (eben nur noch) in der Ferne sehn" (Caterina Valente) kann.

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