Freiheit für die Diktatur der Kunst Empfehlung

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16. Kunst- und Kultursommer des Kunstvereins KISS auf Schloss Untergröningen mit großen Namen gespickt.


kiss03Bei Kaiserwetter konnte der Vorsitzende des Kunstvereins KISS, Wolfgang Nußbaumer, weit über 200 Gäste zur Vernissage des 16. Kunst- und Kultursommers auf Schloss Untergröningen begrüßen. Mit der Ausstellung, die er mit „50 Zigarren für das Licht der Zukunft“ überschrieben hat, gibt  Marcus Neufanger sein Debut als Kurator. Er hat dafür Sorge getragen, dass sich im einstigen Adelssitz genügend subversive Elemente wie Jonathan Meese tummeln.     Allein schon die Liste der Künstlerinnen und Künstler liest sich fast wie ein „Who-is-who“ der Gegenwartskunst in Deutschland. Von Uli Aigner bis Georg Winter. Von A bis Z hat der aus Schwäbisch Hall stammende Kurator und Künstler Neufanger ganze Arbeit geleistet.
     
Im Zentrum der Ausstellung steht „Die Maschine“ von Günther B. Seit Ende der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts arbeitet der Technikfreak an seinem Perpetuum Mobile, mit dem er die weltweiten Energieprobleme für immer lösen will. Die Maschine sieht aus wie eine Mischung aus Uhrwerk und Turbine, allerdings ziemlich grobmotorisch. Sie funktioniert tatsächlich – für 25 Sekunden. Dann muss sie ihr permanent daran schraubender Konstrukteur wieder in zweiwöchiger Arbeit justieren. Es wird also nichts mit der Weltverbesserung. Verstehen kann man das Gerät ohnehin nicht. Womit es in den Augen des Kurators zwei wesentliche Bedingungen für Kunst erfüllt.
   
Präsentiert unweit des adligen Plumpsklos in einem Raum, der den einstigen Zustand des Gebäudes dokumentiert, wirkt die Maschine wie damals Marcel Duchamps „Fontaine“, ein schlichtes Urinal, das er zur Kunst erklärte. Nun ist Günther Bs. Konstruktion natürlich das Gegenteil eines „Ready-mades“, erhält aber durch die Art der Präsentation einen ähnlichen Stellenwert. Als Symbol für die Nutzlosigkeit künstlerischen Schaffens, das die Welt humaner machen möchte – und gleichzeitig für die Sinnlosigkeit von Sein ohne Kunst.    

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Um dieses zentrale Motiv ranken sich die anderen Exponate und beziehen sich auch darauf. Mit der musealen Situation spielt Klaus Merkel, der alle seine 545 Bilder nochmals als Miniaturen auf sieben Tafeln gemalt hat. Seine „Katalogbilder“ addieren sich dadurch auf gigantische elf Meter Länge. Gigantisch wirkt auch Jonathan Meeses extra für diese Ausstellung gemaltes Manifest. In dicken Lettern fordert er so brachial wie paradox die „Diktatur der Kunst“.      Vergleichsweise ruhig wirkt dagegen die große „Raumstruktur“ von Yvonne P. Doderer und Ute Meta Bauer. In einer Art Steckkartenspiel mit Bild- und Textmaterialien aus den 1970er-Jahren reflektieren sie die zeitgeistigen Strömungen und Bewegungen.    

Der Pionier der Netzkunst, Wolfgang Staehle, der 1991 in New York die weltweit erste Internetplattform für Künstler gegründet hat, ist mit seinem Leuchtkasten „Landscape“ vertreten. Wie weit diese Technik inzwischen gediehen ist  zeigt Eckart Hahns digitaler Feuersturm. Im äußersten Kontrast dazu steht ein monumentaler Handschuh aus verkupfertem Aluminiumguss, der förmlich nach seiner Platzierung im Freien vor Ort verlangt.     

Verstörend und sinnfällig zugleich führt Simon Schuberts „Selbstporträt“ den Körper als Summe seiner Elemente in einer Vitrine von Sarggröße vor Augen. Er befindet sich in geistiger Nachbarschaft zur „Staubsammlung“ von Tünde Kovacs (nichts für Hausstauballergiker) und den nach 1997 erstmals wieder gezeigten Ausreibungen von Erdproben, die herman de vries in Schwäbisch Hall und Umgebung gesammelt hatte.   

Ein echter Hingucker sind zwei fünf Meter lange burlesk-narrative Zeichnungen von Uli Aigner sowie eine sich über die gesamte Flurlänge erstreckende Kostprobe ihres Projekts „Eine Million Porzellan“.    Soweit ein Querschnitt durch diese Ausstellung, die noch weit mehr attraktive und rätselhafte Sinnesreize bietet.   

Vom Thema der Ausstellung, das eine gleichnamige Linolschnittserie von Johannes Hewel zitiert, ließ sich Abtsgmünds Bürgermeister Armin Kiemel inspirieren. Er hatte kurzfristig noch 40 Zigarren organisiert, die er den Vernissagegästen für zehn Euro das Stück zum Kauf anbot. Das Räucherwerk ging weg wie warme Semmeln – und über den Erlös hat sich an Ort und Stelle KISS-Schatzmeister Eberhard Schrade gefreut.           jow

Info: Die Ausstellung „Fünfzig Zigarren für das Licht der Zukunft“ ist bis 25. September samstags von 14-18 Uhr, sonn- und feiertags von 11-18 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet; www.kiss-untergroeningen.de

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