Türen geöffnet Empfehlung

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Magische Momente: Ausstellung des 12. Kunstpreisträgers der VR-Bank Aalen, Johannes Pfeiffer, auf Schloss Fachsenfeld.

„Menschen sind zu Höherem berufen als zum Wirtschaften.“ Das hat der Vorstandssprecher der VR-Bank Aalen, Hans-Peter Weber, auf Schloss Fachsenfeld vor zahlreichen Gästen bei der Verleihung des 12. Kunstpreises der Bank an den Bildhauer und Landartkünstler Johannes Pfeiffer betont. Logik, Vernunft und Effizienz seien nicht alles, meinte Weber. Sie müssten einem übergeordneten Ziel zugeordnet werden. Das hatte zuvor die Laudatorin, die Kunsthistorikerin und Pfeiffer-Fan Dr. Sabine Heilig in einem Rückblick auf die Frühgeschichte so beschrieben. Die Menschen vor 40 000 Jahren hätten ihre Wandzeichnungen und Plastiken wie den Löwenmenschen nicht aus Jux und Tollerei geschaffen, sondern um ihrer Seele Ausdruck zu verleihen. Ohne diese Dimension mit der Kunst als sichtbarer Erscheinung sei kein echter Fortschritt möglich. Erst in ihr vollende sich das Menschsein. Verkürzt hört sich das etwas pathetisch an; nimmt man die Künste als geistig-seelische Äußerungen als Ganzes, wird ein tragfähiger Schuh daraus.


Als exemplarischer Protagonist für diese ganzheitliche Sicht erweist sich der in Ulm geborene und in Turin lebende Johannes Pfeiffer. Der 62-jährige Künstler hat ein Jurastudium absolviert, ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre in der Tasche, sich kurzfristig als Theologiestudent versucht – und ist dann wie einst Goethe nach Italien aufgebrochen. In Rom und Carrara hat er Bildhauerei studiert.


Beim Steineklopfen im Marmorsteinbruch hat der italophile Schwabe erkannt, dass die klassische Bildhauerei nicht sein Ding ist, wohl aber der Umgang mit den Dingen. Fortan war seine Karriere als Landart- und Installationskünstler nicht mehr aufzuhalten. Seit vielen Jahren ist der polyglotte Mann mit seinen Projekten und Ausstellungen rund um den Globus unterwegs. Immer auf der Suche auch nach Orten, die er zum gegenseitigen Gewinn mit seiner Kreativität bespielen kann.


Aus der Kommunikation von Werk und Ort ergibt sich beispielsweise ein wesentliches Spannungselement der Ausstellung „usque ad eas portas“ im Schloss Fachsenfeld.

Den Titel (auf deutsch „bis zu diesen Toren“) bezieht Pfeiffer auf die römische Vergangenheit Aalens und speziell auf den Limes als Grenzwall. Sein Credo heißt Veränderung, Wandel, Werden und Vergehen. „Nichts bleibt, wie es ist“, stellt er fest. Deshalb sind die fünf verwitterten Türen, die er im Rasen vor dem Schloss errichtet hat, für ihn unter anderem ein Symbol für eine Grenzüberschreitung. Man gelangt in einen anderen Raum, etwas Anderes, Neues, Unbekanntes. Meint Pfeiffer.


 Man kann jedoch auch zu ganz anderen Assoziationen gelangen. Wie Sabine Heilig. Pfeiffers plastische Erinnerung an das römische „Grenzsicherungssystem“ ist für sie gleichzeitig mahnender Hinweis auf die heutigen Abschottungsbemühungen Europas gegen Flüchtlinge.

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Die Verbindung zum Raum schaffen auch  Metallschalen, aus denen sich eine Flut von Maiskörnern ergießt. Eine Fülle von Fäden verknüpft die Gefäße mit der Architektur des Ökonomiegebäudes. Vielleicht ist hier sogar mal Getreide gelagert worden, gibt die Jurorin eine Interpretationshilfe. Wenn dann Scheinwerferkegel Schalen und Mais in goldenes Licht tauchen, wirken sie wie Quellen, aus denen Gold sprudelt. Oder einfach nur Energie in Form von Mais. Man könnte diesen goldenen Reichtum jedoch auch als Reisschalen verstehen – als symbolische Kehrseite des Reichtums.


In jedem Fall ziehen die vom Scheinwerfer in Lichtstrahlen verwandelten Fäden die Blicke hinauf zu ihrem Ursprung. Er wolle mit dieser Konstellation das Materielle mit dem Immateriellen verbinden zu einem anderen Sein, erklärt Pfeiffer – zur geistigen Dimension des Bewusstseins.

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Als Fingerübung dazu erweisen sich seine Arbeiten auf Papier, mit breitem Pinselstrich hingeworfene, kalligraphisch reduzierte Formen aus schwarzer Acrylfarbe. Der Bildhauer hat sie „blind“ gemalt. Indem er mit geschlossenen Augen eine „in den Tiefen des Gehirns“ sich bildende Form zu einem Thema, das er sich ausgedacht hat, spontan visualisiert. Auf einer Waage balancieren zwei Bücherstapel. Die gesammelten Werke von Shakespeare und Goethe hatten sich da vor Pfeiffers geistigem Auge aufgebaut. Diese Arbeiten auf Papier korrespondieren mit seinen überwältigend sinnfälligen Objekten, in denen er geistige Oberflächlichkeit und Verarmung des Wissens kritisiert. Die Bibel versinkt in einem Betonklotz, Papier ist eingeschweißt und zehn Shakespeare-Bände in einer Schraubzwinge inhaftiert.


Wissen braucht Zeit zum Wachsen. Wie wertvoll Zeit ist, erlebt man beim Betreten eines Raumes aus schwarzem Tuch. Dort erwartet einen ein riesiges Holzspeichenrad. Im Schwarzlicht entfaltet das geschliffene Rubinienholz einen fluoriszierenden Glanz wie ein majestätisch-magisches Zeichen aus ferner Zeit. Das Rad der Geschichte?


Da staunt auch Bankvorstand Hans-Peter Weber bei der vom Berliner Elektronik-Duo „Frank & Friedrich“ mit bizarren Klangclustern umrahmten Preisübergabe. Er rühmt Johannes Pfeiffer als Quelle der Inspiration für Neues, um ihn dann auf seine herzlich-hemdsärmelige Art zu vereinnahmen: „Sie sind in der Welt zuhause und heute auf Schloss Fachsenfeld daheim.“ Dort hatten sich die Wiesen mit den Farbklängen von Narzissen und Krokussen üppig orchestriert. Für den Stiftungsvorsitzenden und Aalener OB Thilo Rentschler ein sicheres Zeichen für den Frühling. Schau mr mal.    jow  

Info: Die Ausstellung mit Werken des 12. Kunstpreisträgers der VR-Bank Aalen, Johannes Pfeiffer, ist bis 5. Juni auf Schloss Fachsenfeld zu sehen.

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