Der Blick nach vorn Empfehlung

Vor der Landschaft „Zwischen hier und dort“: Gudrun Scheller darf mit ihren beiden „Schülerinnen“ Jenny Bühler (l.) und Marion Legner (r.) zufrieden sein. (Foto: Peter Bühler) Vor der Landschaft „Zwischen hier und dort“: Gudrun Scheller darf mit ihren beiden „Schülerinnen“ Jenny Bühler (l.) und Marion Legner (r.) zufrieden sein. (Foto: Peter Bühler)

Farbvergnügen pur bringen Bilder von Jenny Bühler und Marion Legner in die Bopfinger Wachkoma-Pflege.


Einblicke unterschiedlichster Art haben die Eröffnung der Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel in der Wachkoma-Pflege in Bopfingen für die überwältigend große Gästeschar zu einem Herz und Hirn gleichermaßen berührenden Erlebnis gemacht. Die Malerinnen Jenny Bühler und Marion Legner haben mit ihren „Einblicken“ die Sinne geöffnet.

Allein schon mit den Bildtiteln ihrer Arbeiten könnte man den Gehalt der Vernissage hinreichend beschreiben. Der „Blütenzauber“ in den „Atmosphärische(n) Räume(n)“ bereitet zum „Feierabend“ „Leuchtende Freude“. „Geheime Botschaften“ sorgen für ein „Neugieriges Miteinander“ der Besucherinnen und Besucher. „Im Bann der Blüten“ geht es „Drunter und drüber“. Beim „Essen und trinken“ erlebt man eine „Rätselhafte Begegnung“. Danach fühlt man sich wie ein „Sonnenfänger“ in der „Wasserlandschaft“. Irgendwie „Federleicht“, irgendwie „Zwischen hier und dort“. Ganz prosaisch gesagt, wirken die thematisch und stilistisch bemerkenswert vielfältigen Arbeiten von Jenny Bühler und Marion Legner wie für die Wachkoma-Pflege gemalt.

Das hat auch Pflegedirektor Günter Schneider so empfunden. Einige Bildtitel passten gut zum Haus und seiner Bestimmung. 17 Menschen mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren leben hier im Wachkoma, also – mit hoher Wahrscheinlichkeit - ohne Bewusstsein. Der jüngste Patient ist 19 – und seit zwei Jahren auf der Station. Schneider sagt bewusst nicht „liegen“, nein er sagt „leben“. Niemand weiß um deren „Traumwelten“, um ihre „geheimen Botschaften“. Bewusst haben die Pflegerinnen und Pfleger die Türen zu ihren Zimmern weit offen gelassen. Vielleicht hören sie ja das „Stimmengewirr“, spüren etwas von dem „Drunter und drüber“ draußen auf ihrer eigenen „Blaue(n) Insel“.     

„Betroffenheit und Freude begegnen sich hier“, so bringt Landrat Klaus Pavel das Mysterium dieses Ortes auf den Punkt. Für Bopfingens Bürgermeister Dr. Gunter Bühler verlangt die zuvor von Direktor Schneider beschriebene menschliche Tragödie geradezu nach dieser „Institution der Menschlichkeit“. Denn wenn eines eine sich als human verstehende Gesellschaft nicht tun dürfe, sei, diese schwer hirngeschädigten Menschen auf das Abstellgleis zu schieben. Mehr noch, sie müsse alle Möglichkeiten nützen, diese Patienten in die Gemeinschaft einzubeziehen und deren Angehörige mit ihrem Schicksal nicht allein zu lassen. Und herzhaft sagt er wie: „Es ist wichtig, dass man Leben in die Bude bringt.“
    
Das sah auch Edwin Michler als Vertreter der „Rieser Kulturtage“ so. Diese „Volksbewegung“, wie er sie wegen ihres Grenzen und Genres überschreitenden Profils charakterisierte, fand für ihn an diesem Vernissageabend ihren sichtbaren Ausdruck.    

Aufgetischt haben die offensichtlich heiß begehrte Augenweide Jenny Bühler aus Aalen und Marion Legner aus Oberkochen. Beide sind der Kategorie der Hobbykünstler längst entwachsen. Die quirlige Frau aus Aalen liebt den temperamentvollen, expressiven Farbauftrag; ob für ihre aus der Tiefe der Farbschichten erwachsenden Blütenporträts oder für ihre Landschaften. „Zwischen hier und dort“ hat sie eine bezeichnet. Suggestiv zieht das Bild den Blick hinein in die Tiefe des Raumes, den die schroff aufeinander treffenden Farbflächen öffnen. Hin zu einem unergründlichen Abgrund, der sich mit am Grunde zuckenden Farbfeuer zwischen ihnen auftut.    

Das Bild ist ein Solitär. Und ein Beweis dafür, dass Jenny Bühler wie ihre Kollegin Marion Legner unter anderem bei Gudrun Scheller, die in die Ausstellung einführte, viel gelernt hat. Wie man durch die Geometrie der Farben Spannung aufbaut, wie man deren Wirkung durch den Einsatz von Sand, Bitumen, Stoffschnipseln und allerlei auf Papier Gedrucktem collagierend erhöht, und durch Zeichnungen und figurative Elemente die Bildbotschaften verrätselt.

Marion Legner greift gerne mit der Linie und meist schwarzen Figuren in ihre ebenfalls überwiegend starkfarbigen aber mit einem ruhigeren Duktus anmutenden Bilder ein. Damit verleiht sie ihnen wie auf dem Werk „Rätselhafte Begegnung“ mit seiner Schriftcollage und den im Farbraum schwebenden schwarzen Bäumen einen verlockenden Hauch von magischem Realismus. Ohnehin bewegt sie sich stilsicher zwischen reiner Abstraktion und appellativer Collage („Rock me“).    

Zum guten Schluss lieferte das Gesangsduo Regina und Jürgen Stocker, das zuvor schon mit feinen Folksongs die gute Atmosphäre beflügelt hatte, ganz programmatisch das Tüpfelchen auf dem „i“: „Blick nach vorn.“         jow

Info: Die Ausstellung „Einblicke“ im Pflegeheim für Menschen im Wachkoma Bopfingen dauert bis 31. Oktober 2016.

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