Kammerchor geht volles Risiko Empfehlung

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Der Aalener Kammerchor hat sich zusammen mit den Instrumentalisten auf der Orgelempore positioniert. Der Aalener Kammerchor hat sich zusammen mit den Instrumentalisten auf der Orgelempore positioniert. Fotos: Holger Bewersdorf

Was sich der Aalener Kammerchor für seine beiden Konzerte im Oktober in Aalen und Ellwangen vorgenommen hat, ist  außergewöhnlich. Dvorák, Janácek, Pärt, Sarkissian und Bernstein. Selten gehörte und komplex gesetzte Tonsätze.

   Thomas Baur hat indes seinen Chor auf ein Niveau gebracht, mit dem man getrost jedes Risiko eingehen kann.

   In der evangelischen Kirche der nächsten Landesgartenschaustadt haben sich Chor und Instrumentalisten auf der Orgelempore positioniert.  Die Zuhörerinnen und Zuhörer im nicht voll besetzten Kirchenraum können sich also ohne optische „Ablenkung“ voll auf die Musik konzentrieren, die über ihren Köpfen erzeugt wird. Ein lohnendes Unterfangen.

   Der ausgewogene Chorklang überzeugt bereits in Kyrie und Gloria aus der Messe in D-Dur von Antonin Dvorák. Der Orgel mit Andreas Gräsle kommt wie häufig noch bei diesem Konzert eine tragende Funktion zu. Auf den dynamischen Auftakt folgt ein fein austariertes Wechselspiel zwischen den einzelnen Stimmblöcken. Die eingängigen Harmonien des Glorias gipfeln in herausfordernden Höhen.

   Auf den Romantiker folgt mit dem 1981 geborenen Vahram Sarkissian ein Komponist, der den mittelalterlichen Weihnachtshymnus „Novum Gaudium“ in ein harmonisch aufwühlendes Gewand hüllt. Pauken und Trommel treffen auf a cappella-Gesang, Dissonanzen auf Wohlklang und rauschende Bässe. Ein Kontrastprogramm bis zum finalen Crescendo.

   In „De Profundis“ (Psalm 130 der lateinischen Bibel) des estnischen EKM-Preisträgers Arvo Pärt sind die Tieftöner gefordert, bevor die Tenöre auf dem melodisch fließenden Orgelklang  einsteigen. Das Publikum kann in diesem kontemplativen Sound durchatmen.

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   Innig intoniert der Chor das selten aufgeführte „mährische Vaterunser“ des großen tschechischen Tonschöpfers Leos Janácek. Auch er lässt die harmonisch orientierte Musik maßvoll dahinfließen, akzentuiert durch den Tenor, die Orgel und Magdalene Haller sowie Tobias Southcott an den Harfen. Fast volkstümlich der Schluss bis zum finalen Amen.

   Religiös basiert sind zwar auch die „Chichester Psalms“ von Leonard Bernstein. Ihr musikalischer Duktus zeigt jedoch deutlich, dass der Amerikaner auch im Musical zuhause gewesen ist. Der Komponist würzt das dreisätzige Werk zwar nicht mit Pauken und Trompeten, dafür in seiner kammermusikalischen Fassung mit brausender Orgel, Schlagwerk und Harfen. Letztere gehen dank Baurs klangbewusstem Dirigat ebenso wenig im zeitweiligen Bernstein-Furor unter wie der isländische Tenor Óskar Bjartmarsson, der schon bei Janácek als Vorbeter zu hören war, und die junge Altstimme Bela Dieroff.

   Bernsteins „Psalms“ sind keine Kinder von Traurigkeit. Wuchtiges Schlagwerk (Christian Brunk und Matteo Konrad) und forcierter Chor kontrastieren mit zarten Klangfarben und dem solitären Knabenalt. Mit knackigem und schon raffiniert ausgeklügeltem Fortissimo geht es hinein ins hebräisch gesungene Geschehen. Der zweite Satz wird geprägt von der Knabenstimme des David und den Sopranen des Chores; die Tenöre schalten sich ein und die rhythmisch dahinschreitenden Bässe. Kein Überschwang im 3. Satz; der Chor singt mit gemessener Frömmigkeit. Selbst das Finale ist kein üppiger Gipfelsturm. Leonard Bernstein kann auch ganz demütig und gefasst ambitionierte Musik gestalten.

   Der Aalener Kammerchor hat sie mehr als respektabel auf den Punkt gebracht. Den hoch verdienten Beifall holen sich die Mitwirkenden dann im Altarraum der Stadtkirche ab.         

Wolfgang Nußbaumer

(20.10.2025)

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