Ganz nah an den Menschen Empfehlung
- geschrieben von -uss
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Zwei, die menschlichen Befindlichkeiten mit analytischem Blick auf den Grund gehen, sind jetzt im Kulturbahnhof Aalen mit dem Schubart-Literaturpreis und dem Förderpreis 2025 ausgezeichnet worden: Christoph Peters für seinen Roman „Innerstädtischer Tod“ und Grit Krüger für ihren Roman „Tunnel“.
Mit ihrem unerschrockenen rebellischen Ansatz fügen sie sich gut in die Tradition des kantigen Namensgebers Christian Friedrich Daniel Schubart ein, der einst auf dem Hohenasperg in der „Fürstengruft“ einsaß, weil er dem Landesherrn in die Suppe gespuckt hatte, erinnert Oberbürgermeister Frederick Brütting in seiner Begrüßung. Eine Ahnung davon hat Christoph Peters mitbekommen, weil ein Berliner Galeristenpaar die Veröffentlichung seines Romans verhindern wollte. Es meinte, sich in dem Roman negativ erkannt zu haben. In zwei Gerichtsverfahren ist seine Klage zugunsten der Meinungs- und Kunstfreiheit abgewiesen worden.
Was wohl geschehen wäre, wenn das Galeristenpaar Erfolg gehabt hätte, überlegt die Literaturkritikerin und Jurymitglied Anne-Dore Krohn in ihrer launigen Laudatio. Womöglich hätte das Buch nur noch unterm Ladentisch verkauft werden können. Der weitgereiste Autor habe die Welt gründlich angeschaut; entsprechend weit sei die Bandbreite seiner Romane. Wie auch dieser dritte einer Trilogie. „Satirisch, todernst und hochpolitisch“. Krohn sieht in Peters Roman zahlreiche heterogene Figuren aufeinandertreffen. Die Widersprüche unserer Zeit dürften schwarz auf weiß nebeneinanderstehen. „Gute Literatur ist wirklicher als die Wirklichkeit“, lobt sie das Werk des Schriftstellers.
Christoph Peters räumt in seiner Dankesrede ein, dass ihn die juristische Auseinandersetzung um seinen Roman belastet habe. Diesen bezeichnet er als eine „komplexe Familienaufstellung“ und als alles andere als einen skandalträchtigen Enthüllungsroman. Auch Romanfiguren brächten ihre jeweils eigene Entwicklungsgeschichte mit. Schon die Änderung weniger Details würde den Fortgang der Story, in der wie in seinem aktuellen Buch unterschiedlichste Positionen nebeneinander stehen, verändern, gibt er Einblick in die Logik des Schreibens. Seinen Roman wiederum sieht er in einem intertextuellen Bezug zu Wolfgang Koeppens Roman „Der Tod in Rom“ und zu Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ stehen. Eines wirkt aus dem andern oder baut auf dem andern auf. Ein Hinweis ist Peters noch wichtig: Das Personal von „Innerstädtischer Tod“ hat nichts mit seinem Verfasser gemein. Wer Böses schafft, muss deshalb nicht selbst böse sein.
Virtuosen auf dem Akkordeon: Sinisa Ljubojevic und Djorde Vasiljevic machen Musik auf Preisniveau.
In Grit Krügers bereits zweimal ausgezeichneten Debut geht es metaphorisch unter die Erde. Die Tiefe wird zum Rückzugsgebiet, weil die Menschen oben nicht überleben können. Ganz prosaisch: Mascha hat kein Geld mehr, um für ihre Tochter und sich im Winter zu heizen. Deshalb zieht sie in ein Altersheim, wo sie allerlei kauzige Typen trifft. Einen Tröster und einen Bewohner, der unter dem Sandsteinfundament im Keller Geräusche hört. Da greift Mascha zur Hilti und bohrt. Der Tunnel entsteht. Ob er zum Ausweg wird aus der Gefangenschaft ihrer prekären Verhältnisse? „Grit Krüger zeigt uns, wie dünn der Boden ist, auf dem wir uns bewegen“, stellt ihr Laudator Dr. Stefan Kister fest. Aber sie lasse auch die Hoffnung spüren, die aus dem Untergrund dringt.
„Es macht mich mächtig stolz, diesen Preis zu erhalten“, freut sich die Autorin. Er ermögliche ihr weiteres Schreiben, so, wie das Geld für ihre Figur, die Pflegerin Mischa, Freiheit bedeute. Weshalb sie „ganz einfach danke“ sagt.
Den mit 20 000 Euro dotierten Schubart-Literaturpreis hat OB Brütting an Christoph Peters überreicht. Mit dem von der Kreissparkasse Ostalb gestifteten Förderpreis in Höhe von 7500 Euro hat KSK-Chef Markus Frei Grit Krüger bedacht. Neben Anne-Dore Krohn und Stefan Kister haben sich die weiteren Jurymitglieder Tilla Fuchs, Denis Scheck, Michael Weiler und Miriam Zeh durch „sehr viele exzellente Texte“ (Brütting) gelesen, wobei das Thema „Freiheit“ im Fokus stand.
Das hervorragende Akkordeon-Duo „Synthesis“ hat den Festakt mit Musik von Antonio Vivaldi, Eric Mayr und Paulo Jorge Ferreira angemessen umrahmt.
Wolfgang Nußbaumer
(04.05.2025)