Die wahre Schönheit ruht im Inneren Empfehlung
- geschrieben von -uss
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Was für ein Fest der Sprache, das Intendant Burkhard C. Kosminski mit seiner Interpretation des „Cyrano von Bergerac“ auf die Bühne des Stuttgarter Schauspiels gebracht hat.
Die deutsche Fassung des mit viel Esprit modernisierten Rostand-Textes von Marti Crimp geht dem Ensemble federleicht über die Lippen. Vorneweg der wieder umwerfend gute Matthias Leja in der Titelrolle.
Wie leicht könnte man bei dieser Vorlage in die Mantel-Degen-Falle tappen und das Stück als Fechtspektakel inszenieren, bei dem nebenher auch mit Worten gefochten wird. Stattdessen erlebt man in Stuttgart eine überzeugende Verbeugung vor dem Wunder Sprache, das auch in dieser zeitgemäßen Fassung seine Wirkung nicht verfehlt. Jedes Wort ist ein Wirkungstreffer, zumal Leja den Haudegen mit der großen Nase eben nicht als rauflustigen Draufgänger zeichnet. Bei ihm ist er ein Poet, der lieber mit geschliffenen Sätzen als mit scharfer Klinge ficht.
Ohnehin wird in dieser Inszenierung mit Vokalen gefochten und mit Konsonanten gekontert, dass es eine wahre Freude ist. Wortwitz und Wortgefecht gehen Hand in Hand. Wenn es sein muss, wird auch mal hessisch gebabbelt. Wie es Cyrano macht, als er den adligen Hauptmann de Guiche ( Sven Prietz als unduldsamer Macho) vom geplanten Schäferstündchen mit Roxanne abhält, damit dieser Zeit bleibt, Christian zu heiraten. Den schönen, aber poetisch völlig unbedarften Kadetten, für den Cyrano die Briefe geschrieben hat, mit denen er sie becirct hat. Wobei der Verseschmied die für gelungene Reime anfällige Frau ja selbst begehrt. Zur Strafe schickt sie de Guiche an die Front.
Die Akteure sitzen alle in der ersten Reihe vor der Bühne. Praktisch in zweierlei Hinsicht. Erstens können sie sich gleich zu Beginn als Publikum über den Auftritt des unterirdisch deklamierenden eitlen Montfleury lustig machen, zweitens haben sie es nicht weit zu ihren Einsätzen. Schließlich fördert es die Transparenz des Geschehens, weil hier mit völlig offenen Karten gespielt wird. Kein großer inszenatorischer Schnickschnack, der Fokus liegt auf dem Wesentlichen - dem Wort. Immer wieder wird dessen Bedeutung in bester Rap-Manier unterstrichen. Dann greifen Leja und Co. im gedämpften Discolicht zum Mikrofon und legen los. Das Versdrama in seiner modernsten Ausformung. Nichts wirkt dabei aufgesetzt. Eine weitere Pointe dieser klugen Regie.
Roxanne (Josephine Köhler) im Gespräch mit dem Priester (Reinhard Mahlberg).
Wo das Wort so virtuos regiert, kann man getrost mit Bühnenelementen geizen. Florian Etti hat eine hellgraue Wand mit zwei dunklen Durchgängen installiert. Auf ihr wird als Hinweis auf Cyranos Fechtkünste im Video gefochten, während er das Geschehen nur kommentiert. Später wird sich diese Wand dreidimensional in zwei um sich rotierende Teile verwandeln, in denen Roxanne und Christian auf der Suche nach einander und sich selbst umherirren wie im Zauberwald eines „Sommernachtstraums“. Am Ende wird der tödlich verletzte Dichter mit der großen Nase im Dunkel dieser Bühne verschwinden, im Nirgendwo. Ein ganz großer Abgang, Gänsehaut pur.
Zurück bleibt die Erinnerung an einen Mann der zu Unrecht mit seiner Hässlichkeit gehadert hat. Denn am Ende siegt die Erkenntnis, wahre Schönheit liegt im Innern. Das hat auch Roxanne erkannt, die Josephine Köhler als handfeste, selbstbewusste Frau zeichnet; offen zwar für feine Poesie, doch alles andere als ein handzahmes Turteltäubchen. Zuvor schon hat der schöne Christian, den Felix Strobel als geradlinigen, aufrechten und ein wenig eindimensionalen Charakter gibt, als Soldat das Zeitliche gesegnet, nachdem ihm das den Liebesbriefen immanente Doppelspiel bewusst geworden ist. Marco Massafra als Cyranos Freund Le Bret, Reinhard Mahlberg in einer genau getroffenen Doppelrolle als Intendant und Priester sowie David Müller als Montfleury und Soldat runden das spielfreudige und mit anhaltendem Beifall und Bravorufen bedachte Ensemble ab.
Info: Nächste Aufführung am Montag, 23. Dezember, 19.30 Uhr.
Wolfgang Nußbaumer
(13.12.2024)