Gewinner sind im Thronsaal alle Empfehlung

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Voll fokussiert auf ihre Interpretationen sind Lionel und Damian Martin. Voll fokussiert auf ihre Interpretationen sind Lionel und Damian Martin. Foto: -uss

Sehr erfrischend und wegweisend für den Verlauf des letzten Ellwanger Schlosskonzertes der Saison am Samstagabend ist die Einschätzung des jungen Cellisten Lionel Martin von Alfred Schnittkes Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 1.

   „Schnittke ist nicht schön“, lässt er die rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörer im Thronsaal wissen. Und lächelt gewinnend dazu. Gewinner sind sie an diesem lauen Sommerabend alle. Das Publikum, die konzertierenden Brüder und letztlich die Schöpfer der Musik. Zumal Lionel und Demian Martin, wie der künstlerische Leiter der Konzertreihe, Dr. Richard Krombholz, im Interview mit dieser Zeitung schon dargelegt hat, im neuen Format eine kurze Einführung zu den Stücken gegeben haben.

   Dazu erfährt man von Demian, dass Ludwig v. Beethoven in seiner Sonate für Violoncello und Klavier Nr. 4 C-Dur den beiden schnellen Allegro-Sätzen jeweils zwei langsame vorgeschaltet hat. Kontraste erzeugen Spannung. Dieses Prinzip prägt das gesamte Konzert. Das Adagio in Beethovens Spätwerk singt der erst 21 Jahre alte Cellist voll Hingabe aus, bevor er den Bogen wieder temperamentvoll über die vier Saiten flitzen lässt.

   So harmonisch dieser Klassiker ins Ohr geht, so sehr strapaziert der Schnittke die Gehörgänge. „Nicht schön“, aber fesselnd. Nur für dieses Werk legt der Pianist eine Partitur auf den Flügel; ansonsten spielen die beiden Virtuosen alles (!) auswendig. Mit ihrem elegisch-abgründigen Charakter kann die Komposition des russisch-deutschen Tonschöpfers und Pianisten zumindest musikalisch abkühlen; auch wenn die Künstler selbst in den beiden Largo-Sätzen mit hohem Tempo zur Sache geht. Im Presto legen sie sogar noch mehr als einen Zahn zu. Atemberaubend, wie Lionels fünf Finger in diesem atonalen Crescendo über das Griffbrett laufen. Das abschließende, fast meditative Largo versöhnt mit seinen harmonischen Anklängen etwas mit den vorangegangenen Attacken. 

   Das gilt erst recht für die spätromantisch geprägten „2 Lieder Op. 27“ „Ich schleiche meine Straße“ und „Verweht“ der aus Kroatien stammenden Komponistin Dora Pejacevic, an deren Tod vor 100 Jahren 2023 in zahlreichen Veranstaltungen erinnert worden ist.

   In den vier Sätzen von César Francks Sonate für Violoncello und Klavier a-Moll entfalten Lionel und sein fünf Jahre älterer Bruder Demian nochmals die ganze Bandbreite ihres schon überragenden Könnens. Zuvor hat der Pianist darauf hingewiesen, dass sich die gesamte Sonate aus einem Ursprungsmotiv heraus entwickelt, das immer wieder auftaucht. Reich an Klangfarben erblühend, kompositorisch mit letztmöglicher polyphoner Raffinesse aufgebaut, lauscht man hingerissen der natürlich wieder energisch-temperamentvollen Interpretation. Das Recitativo beginnt nach dem furiosen Allegro mit einer ganz entspannten Cellokantilene weiter, die das Piano aufnimmt. Dieses Wechselspiel bestimmt auch den wie ein Kanon aufgebauten Schlusssatz.

   Für den reichen Beifall bedanken sie sich mit einer ganz ungewohnten Zugabe. Sie bitten das Publikum um Werkvorschläge, um darüber zu improvisieren. So erlebt man an diesem Ort zum ersten Mal, dass Dvoraks „Aus der Neuen Welt“ mit Mozarts „Kleiner Nachtmusik“, Rimski-Korsakows „Hummelflug“, Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ und Gershwins „Rhapsody in Blue“ zu einem spritzigen Cocktail zusammengemixt wird. Unglaublich! 

Wolfgang Nußbaumer        

(02.09.2024)

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