„Der beste Tänzer der Welt“ Empfehlung
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Für die große alte Dame des Stuttgarters Balletts, Marcia Haydée, steht außer Frage, um wen es sich bei Friedemann Vogel handelt: „Er ist der beste Tänzer der Welt!“
Mit dieser Einschätzung darf sie sich mit den Menschen im seit langem ausverkauften Opernhaus einig sehen. Sie haben den begnadeten Künstler anlässlich seines 25. Jubiläums bei der Stuttgarter Compagnie minutenlang mit frenetischem Beifall gefeiert.
Begonnen hat der Abend mit dem Ausnahmetänzer in einer Paraderolle. Zum wachsenden Crescendo des „Boléro“ von Maurice Ravel rückt die Regie nach und nach die sich bewegenden Hände, Arme, Oberkörper und schließlich das Gesamtkunstwerk Friedemann Vogel auf dem großen roten runden Tisch ins Scheinwerferlicht. Er ist „die Melodie“, zu der sich sukzessive sage und schreibe 32 makellose Tänzer als „der Rhythmus“ an die Plattform gesellen. Zu erleben ist „die Balance zwischen Disziplin und Ekstase“, die zu finden das Stuttgarter Ballett möglich macht, wie er später in einer Gesprächsrunde erklären wird. Doch zuvor sorgt die Choreografie von Maurice Béjart, die vor exakt 40 Jahren an diesem Ort Premiere hatte, für Gänsehaut pur. Was der Star der Truppe seinem Körper scheinbar mühelos abverlangt, macht einen sprachlos. Dabei wird Vogel in wenigen Wochen 45 Jahre alt. Wie schafft er das, wird ihn die Direktorin Kommunikation und Dramaturgie, Vivien Arnold, in der von ihr souverän moderierten Gesprächsrunde fragen. „Ich trainiere jeden Tag“, ist die schlichte Antwort. „Denn wir können uns auf der Bühne nicht schonen“.
Auch eine begnadete Begabung, wie sie Marcia Haydée und der frühere Intendant Reid Anderson in dem jungen Tänzer einst erkannten, kommt ohne Training nicht weiter. Und ohne die Erfahrung einer internationalen Karriere. Seine Gastspiele auf der ganzen Welt weiteten seinen Horizont bis heute, erläutert er deren Bedeutung für ihn. Nutznießer ist letztlich auch die heimische Compagnie, die er an diesem Erfahrungsschatz partizipieren lässt. Diese Verwurzelung in Stuttgart hat schon zu Beginn Reid Anderson unterstrichen. Friedemann sei zwar auf der ganzen Welt unterwegs, aber richtig zuhause nur hier. Ein Star ohne Allüren. „Gott war ganz guter Laune, als er Friedemann geschaffen hat“, meint die Haydée lächelnd.
Dieser Mann hat viel zu erzählen. Reid Anderson, Marcia Haydée, Tamas Detrich und die Moderatorin Vivien Arnold hören Friedemann Vogel zu.
Bester Laune ist denn auch die Gesprächsrunde, zu der sich noch Intendant Tamas Detrich gesellt, selbst zu seiner aktiven Zeit gefeierter Vortänzer im Stuttgarter Haus. Aus drei berufenen Mündern erfährt das Publikum die wichtigsten Stationen der Karriere von Friedemann Vogel und was ihn so einmalig macht. Reid Anderson erinnert sich an eine Präsentation junger Tänzerinnen und Tänzer vor vielen Jahren in Monte Carlo. „Man hat Angst, ob man diesem schon kompletten Tänzer überhaupt das geben kann, was er braucht, um das zu werden, was er heute ist“, meint er rückblickend. Dass es funktioniert hat, bestätigt Tamas Detrich. Dessen Wunsch war es, wie er sagt, nach dem Ende seiner eigenen Karriere, sein Wissen der Jugend weiterzugeben.
Mit Erfolg. Zunächst hat Friedemann Vogel vor allem klassische Rollen getanzt. Verändert habe ihn dann, wie er erzählt, die Zusammenarbeit mit dem unkonventionellen Choreografen Marko Goecke wie für das Stück „Orlando“. Diese sei „inspirierend und lustig“ gewesen. Ohne diese Weichenstellung wäre es vermutlich Jahre später nicht zu dem opulenten Handlungsballett „Mayerling“ von Kenneth MacMillan im wundervollen Bühnenbild von Jürgen Rose gekommen. Viel hat man in dieser Gesprächsrunde noch über den Tänzer erfahren. Nicht zuletzt über die zahlreichen Preise, die ihm verliehen worden sind. An diesem, seinem Abend ist ein weiterer dazugekommen. Der Vorsitzende der John Cranko Gesellschaft, Fred Binder, hat ihm den „John Cranko Preis“ für „einen dramatischen Darsteller“ verliehen und sein Wirken „aus der Sicht des Publikums“ kurz und prägnant gewürdigt.
Gleiches ist in einer espritvollen Filmcollage von Roman Novitzky und Dora Detrich mit kurzen Szenen und Auszügen aus dem Spielfilm „CRANKO“ von Joachim A. Lang geschehen. Der Filmemacher hat Friedemann Vogel noch per Videoeinspielung aus Berlin gratuliert.
Bald Mitte 40, 25 Jahre Bühnenpräsenz - da könnte man als Tänzer ans Aufhören denken. Vivien Arnold indes versichert: „Der heutige Abend ist kein Abschied!“
Wolfgang Nußbaumer
(17.07.2024)