Das Ellwanger Wimmelbild
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Unermüdlich forscht er in der und über die Geschichte des Ellwanger Schlosses. Seinen zahlreichen Publikationen hat der Leiter des dortigen Museums, Matthias Steuer, nun ein weiteres Schmuckstück hinzugefügt.
Er hat einen Stich aufgeschlüsselt, der heute im Schlossmuseum zu sehen ist. Dessen Geschichte reicht weit zurück, bis ins Jahr 1764, zur Tausendjahrfeier der Stadt; eigentlich der Gründung der Benediktinerabtei im Virngrund. Damals wurde auf dem Platz vor dem Südeingang der Stiftskirche eine große Ehrenpforte errichtet, durch die der Fürstpropst Anton Ignaz Graf Fugger-Glött von Kirchberg und Weißenhorn, die zahlreichen Ehrengäste, das Stiftskapitel und die Bürgerschaft zum Festgottesdienst in das Gotteshaus eingezogen sind. „Von der imposanten Pforte aus Holz, Pappmaschee und Farbe ist leider nichts mehr erhalten - bis auf einen Kupferstich“, stellt Dr. Heiko Merkelbach in seiner Beschreibung dieser Neuerscheinung fest.
Genau genommen sind zu der Jubelfeier zwei Triumphpforten errichtet worden. Eine davon wurde vom Stiftskapitel in Auftrag gegeben. Sie ist im Gegensatz zu der vom Magistrat der Stadtverwaltung finanzierten Ehrenpforte, wie Matthias Steuer in seiner Publikation schreibt, „bislang nahezu unbekannt geblieben“. Das Stadtarchiv Ellwangen konnte 2015 einen von Johann Nepomuk Nieberlein (1729-1805) gestalteten Kupferstich mit der Darstellung dieser Pforte erwerben. Dessen oft winzige Details hat der Forscher im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe genommen und zu einem spannenden historischen Lesestoff entwirrt.
An der Spitze der Darstellung steht die Gottesmutter Maria. An die himmlische Sphäre schließen sich die Ellwanger Kloster- und Stiftsheiligen an. Deren Schilderung führt der Hauptpatron Vitus an. „Im Mittelalter erhielt die Kirche von Ellwangen eine wertvolle Armreliquie des Heiligen, welche sich heute im Zelebrationsaltar in der Vierung der Stiftskirche befindet“, erläutert Steuer. Den heiligen Veit kennt man natürlich, ebenso die „Pferdeheiligen“ Eleusippus, Meleusippus, Speusippus und deren Großmutter Leonilla, die zu Tode gefoltert worden sind. Weniger bekannt sein dürften die Heiligen Neon, Turbon, Sulpicius und Servillianus sowie die Frauen Junilla, Euphrosina, Theodora und Domitilla. Es handelt sich bei ihnen allesamt um Märtyrer des 1. und 2. Jahrhunderts. Reliquien anderer hingerichteter Christen wie des im 3. Jahrhundert getöteten Bonifatius kamen bis nach Ellwangen.
Gebeine der Märtyrer
So erfahren die Leserinnen und Leser, dass Papst Hadrian I. dem Bischof Erlolf von Langres einen großen Reliquienpartikel von Bonifatius geschenkt hat, den dieser in das neu gegründete Kloster im Virngrund gebracht hat. Er befindet sich im Altar der Krypta in der Basilika. Gebeine aller 17 Stiftsmärtyrer werden an verschiedenen Orten in der Basilika aufbewahrt. Der Hinweis auf sie wird auf dem Stich von zwei Engeln flankiert.
Wichtig neben den Märtyrern ist die Riege der Äbte und Fürstpröpste. Sie wird von Graf Ermenrich angeführt; einem gelehrten und hoch geschätzten Mann, der das Benediktinerkloster vermutlich von 845 bis 863 geleitet hat. Seinen Studien ist die „Vita Hariolfi“ zu verdanken; „das erste und älteste überlieferte literarische Werk der Geschichtsschreibung für Ellwangen“, wie Matthias Steuer feststellt. Allerdings hat es auch der Slawenapostel Methodius dessen Eingreifen als Bischof und Missionar in Mähren und Böhmen zu verdanken, dass er zu einer zweieinhalbjährigen Kerkerhaft verurteilt worden ist, die er vermutlich im Kloster Ellwangen verbüßt hat.
Überspringen wir einige Jahrhunderte bis zu Fürstpropst Johann von Hürnheim. Er hat in seiner kurzen Amtszeit von 1460 bis 1461 dafür gesorgt, dass das Kloster in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt worden ist. Mit reger Bautätigkeit hat der Kirchenfürst Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg das Bild der Stadt geprägt. Mit der Errichtung des Hospitals zum Heiligen Geist, dem Wiederaufbau der durch einen Brand zerstörten Wallfahrtskirche Schönenberg und der Errichtung des Jesuitenkomplexes mit einem Kolleg und einer Wandpfeilerkirche, um nur einige zu nennen, hat er „die kleine geistliche Residenz an der Jagst zu einem Barockzentrum“ gemacht, wie der Chronist resümiert.
Zu den Kirchenfürsten gesellen sich auf dem Stich die 1764 amtierenden Stiftsherren. Nicht zu vergessen allegorische Skulpturen, welche verschiedene Tugenden wie Ehre, Weisheit, Milde und Beständigkeit symbolisieren.
Erstaunlich, wen der Künstler Nieberlein alles auf seinem Stich untergebracht hat. Natürlich die beiden Gründer der Ellwanger Kirche, Hariolf und Erlolf sowie die Kaiser und Könige, die sie in den folgenden Jahrhunderten unterstützt haben. Kaiser Heinrich II. hat Ellwangen die Fürstenwürde und 1024 den „Wildbannforst“ verliehen. Damit genoss der Ellwanger Abt im Virngrundwald das ausschließliche Jagd- und Fischereirecht. „Dieser kaiserliche Akt war die Grundlage eines umfassenden Territoriums mit Landesherrschaft des Klosters und der ihr nachfolgenden Fürstpropstei“, erläutert Steuer.
Wohlwollen hat die Abtei auch bei König Pippin (714-768), Kaiser Karl dem Großen (747/48-814), dessen Sohn Ludwig dem Frommen (778-840) und Otto III. (980-1002) genossen, die ebenfalls auf dem „Wimmelbild“ ihren Ehrenplatz gefunden haben. Letzterer hat den kaiserlichen Schutz für das Kloster Ellwangen bestätigt, den bereits Ludwig der Fromme in einer Pergamenturkunde vom 8. April 814, die heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart aufbewahrt wird, zugesichert hatte. Damit schließt Matthias Steuers aufschlussreiche Studie des alten Stichs. Eine Zeittafel und ein Inhaltsverzeichnis ergänzen Bilder und Textbeschreibungen.
Matthias Steuer: Das Ellwanger Wimmelbild. Geschichte und Personen aus 1000 Jahren auf der Jubiläumspforte 1764; 80 S., Ellwangen 2024; erhältlich im Schlossmuseum und bei der Tourist-Information Ellwangen.
Wolfgang Nußbaumer