Ein Liebestrank ohne Reue Empfehlung

Nemorino (Kai Kluge) muss sich vom Chor der Landarbeiterinnen einigen Spott gefallen lassen. Nemorino (Kai Kluge) muss sich vom Chor der Landarbeiterinnen einigen Spott gefallen lassen. Fotos: Martin Sigmund

Wer nach dem Genuss dieses Liebestranks das Stuttgarter Opernhaus nicht in bester Stimmung verlässt, geht zum Lachen vermutlich in den Keller.

   Angerührt und in eine formidable Sängerinnen- und Sängerschar abgefüllt hat „l’elisir d’amore“ ein Frauentrio. Danila Grassi hält in der von Anika Rutkofsky mit überwältigender Lebendigkeit inszenierten Donizetti-Oper mit straffem Dirigat die eingängige Musik am Laufen. Das kongeniale Bühnenbild hat sich Ute Gruber-Ballehr ausgedacht.

   Ein erster Blick auf den Bühnenvorhang verrät, dass es in dieser Aufführung nicht, oder nicht nur, um eine musikalische Liebeskomödie gehen wird. Man sieht eine Karte mit ländlichen Parzellen, die von einer erdfarbenen Masse bedroht scheinen. Oder sind sie ihr abgerungen worden? Jedenfalls verweist das Bild auf eine ökologische Metaebene. Diesen Eindruck bestätigt die erste Szenerie, als sich der Vorhang nach der Ouvertüre öffnet. In einem riesigen Gewächshaus mit dem Charme einer landwirtschaftlichen Fabrik werden pelzige große runde Objekte angebaut und geerntet. Ein Mikroskop deutet an, hier wird mit wissenschaftlicher Akribie gearbeitet.

   Der wie immer enorm spielfreudige und makellos intonierende Opernchor ist in gelbe, graue und rosafarbene Arbeitsanzüge gekleidet. In seinen Reihen der Landarbeiter Nemorino. Über den Köpfen durchmisst eine eiserne weiße Brücke den Raum. Von hier aus hat die vermögende, selbstbewusste und in Liebesdingen ziemlich sprunghafte Adina den besten Überblick über das Geschehen.  Nemorino ist heillos in sie verliebt. Heillos, chancenlos?

   Doch da naht Rettung in Gestalt des Scharlatans Dulcamara. Der handelt mit Elixieren, die gegen und für alles helfen. Wie er dem Publikum augenzwinkernd verrät, ist Bordeaux in der Flasche. Bei ihm deckt sich der Liebeskranke mit reichlich Medizin ein. Um sie bezahlen zu können, lässt er sich von dem Macho Sergeant Belcore als Soldat anwerben. Dieser wiederum hat ebenfalls ein Auge auf die schöne Adina geworfen. Der eitle Pfau ist seiner Sache sicher. Es kommt, wie es kommen muss. Pläne und Versprechen erweisen sich als Schall und Rauch im Strudel der Irrungen und Wirrungen.

   Daraus hat Donizetti eine Fülle herrlicher Arien und Duette geschaffen, in denen das Ensemble in höchster Sangeskunst schwelgen kann. Wer könnte sich dem silbrig glänzenden Sopran Claudia Muschios entziehen, der noch in den feinsten Koloraturen in tiefste Gefühle blicken lässt. Dem naiven, einfach gestrickten Landarbeiter gibt Kai Kluge mit seinem geschmeidigen lyrischen Tenor gewinnendes Profil. Björn Bürger lässt den aufgeblasenen Belcore mit saftig voluminösem Bariton herumstolzieren, während Giorgio Caoduro mit seinem wieselflinken Parlando den Gegenpol zu den gefühlsbetonten Arien setzt. In den Kreis der Solisten reiht sich Lucia Tumminelli als bestinformierte Gianetta espritvoll ein. Dazwischen wetteifert eine in martialische Operettenuniform gewandete Bühnenkapelle mit den Kolleginnen und Kollegen im Orchestergraben.

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Adina (Claudia Muschio) braucht zum Entsetzen des Dulcamara (Giorgio Caoduro) keinen Liebestrank. Sie weiß um ihre Wirkung.

   Nach der Pause sieht man ein üppig begrüntes Gewächshaus, in das sich ein Nymphen artiges Wesen schleicht. Ein Hauch von Sommernachtstraum weht. Ist grün die Hoffnung? Nemorino jedenfalls hat sich von seinem Sold mit Dulcamaras Wundermittel volllaufen lassen. Dann kommt noch die Nachricht, er habe von einem reichen Onkel ein Vermögen geerbt. Plötzlich ist er der Hahn im Korb. Köstlich, wie sich die Chor-Landfrauen in langer Reihe an der Rampe aufbauen, um dann das Objekt ihrer so plötzlich aufgeflammten Begierde heftig untereinander zerfend für sich zu gewinnen. Er jedoch liebt nur die eine, wie die melancholisch-traurige Arie verrät, in die Kai Kluge sein ganzes großes Sängerherz legt.

   Adina lehnt indes den Liebestrank des Dottore ab, weil sie weiß, wie sie wirkt. Endlich hat sie den Wert von Nemorinos treuer Seele erkannt und bekennt ihm ihre Liebe. Nach dem Kuss haut sie ihm gleich eine runter. „Vergiss meine Härte“, bittet sie den Verdutzten, nimmt ihn bei der Hand und verschwindet mit ihm über die Wendeltreppe nach oben. Während unten sich der personifizierte Heilsbringer Dulcamara der Weiber erwehren muss, die sich von einem Schluck aus der Wundermittelpulle neben der Liebe nun auch noch Reichtum erhoffen.

   Und die Moral von der Geschichte? Die Gier nach Geld macht blind, die Liebe sehend - so man Glück hat (oder ein „elisir d’amore“). Es empfiehlt sich auf jeden Fall, wachen Auges durch die Welt zu gehen, um deren Versuchungen zu widerstehen. Herzlich und ausdauernd war der wohlverdiente Beifall für Solistinnen und Solisten, Opernchor und die Dirigentin mit dem Staatsorchester.

    Info: Nächste Aufführungen am Mittwoch, 27. September, 19 Uhr; Sonntag, 1. Oktober, 14 und 19 Uhr; Mittwoch, 4. und Freitag, 13. Oktober, 19 Uhr; Sonntag, 15. Oktober, 14 und 19 Uhr. Karten tel. unter 0711/202090 und online unter www.staatsoper-stuttgart.de/spielplan

Wolfgang Nußbaumer

(26.09.2023)

    

             

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