Eine Welt im „Glasshouse“ Empfehlung
- geschrieben von -uss
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„Frustration“ beendet die Eröffnung der KISS-Ausstellung „Glasshouse“ Donnerstagabend im Schloss Untergröningen.
Das von einem jungen Streicherduo intonierte Musikstück von Bela Bartok spiegelt einen Aspekt der von Heidi Hahn kuratierten multimedialen Schau wider. Aber nur einen.
In ihrer weitgespannten Einführung beschreibt die Kuratorin vor zahlreichen Gästen das Universum als alles umfassenden Raum, dem indes wie allem anderen irgendwann in fernster Zukunft ein Ende prognostiziert wird. Bis dahin jedoch ist Zeit genug, sich mit dem Wimpernschlag Erde zu beschäftigen.
Der Mensch tut es auf seine Weise. Seit er existiert „wirft er im ‚Glashaus Erde‘ beständig mit Steinen“, stellt Heidi Hahn fest. Was er damit anrichtet ist ebenso Gegenstand der Ausstellung, wie die Vision eines Zustandes, der den Homo sapiens überlebt oder noch gar nicht existiert. Was aber könnte das sein?
Was die 26 Künstlerinnen und Künstler zu dieser breit gefassten Thematik geschaffen haben, frustriert allerdings nicht - oder zumindest nicht nur. Zwischen dem bedrohlichen Schwarz der im Raum schwebenden Skulpturen von Urban Hüter, die mit Ottmar Hörls „Wolfsrudel“ und dem philosophisch grundierten „Kafkas Rudel“ von Edgar Braig korrespondieren - einer Reihe von Käfermonstern aus maskierten Geigenkästen - und der aseptisch weißen, skulptural bestimmten Installation von „malatsion“ aus Frankfurt dehnt sich ein vielfarbiges Angebot aus mannigfachen bildnerischen und technikaffinen Kreationen.
Wissenschaft wird mit Kunst auf spannende und auch verblüffende Weise kombiniert. Am treffendsten sicher in malatsions in fünf Aquarien schwimmenden 15 organhaften weichen Skulpturen und den „Hallucigenias“ des Wieners Martin Walde; leuchtende, hauchdünne, mundgeblasene Glaskörper, die an Weichkörpertiere aus dem Präkambrium (der Erdfrühzeit) erinnern. Die künstliche Intelligenz (KI) wiederum ist an der Erzeugung von Luis Dilgers 3D-Arbeiten, prächtigen Insektenwesen, wesentlich beteiligt.
Wer schließlich in einem Farbenrausch Entspannung sucht, findet in Heidi Hahns Bienenblumenwiese „Be Honey Bee“ den richtigen Ort. Die Farbenpracht der Kunstblüten nehmen Mensch und Insekt allerdings ganz unterschiedlich wahr. Diese Installation versucht darzustellen, wie die Honigbiene Blüten erkennt. Denn nicht jede Blume ist nach Ihrem Geschmack.
"Der Kandidat", eine Collage von Philipp Kummer
Neben Installation und zum Teil kinetischer Skulptur behauptet sich die Malerei auf Augenhöhe. In großem Format setzt sich der gebürtige Vietnamese Xuan Huy Nguyen fotorealistisch mit Krieg und gesellschaftlichen Umwälzungen in Vergangenheit und Gegenwart auseinander. Ihm in der realistischen Handschrift ähnlich, gibt Axel Teichmann mit seinen surrealen Gemälden Gelegenheit, über das Menschsein nachzudenken. Ganz ohne Mensch kommt Melanie Siegel in ihren Öl- und Acrylbildern aus. Auf ihnen sind Baum und Büsche eindeutig auf dem Vormarsch. In Werner Liebmanns expressiv erzählenden Arbeiten taucht ein Panoptikum seltsamer Wesen auf; Zwittergestalten im Spannungsfeld zwischen Macht und Ohnmacht.
Ganz real und ohne ästhetischen Anspruch haben Studierende der Hochschule Aalen zwei Kompostaquarien beigesteuert, in denen der Verrottungsprozess unter verschiedenen Bedingungen beobachtet werden kann. Von Interesse dürfte vor allem das Aquarium sein, in dem in der Erde lebende Mikroorganismen ihre Zersetzungsarbeit leisten. „Karl das Kompostaquarium“ haben sie ihre Versuchsanordnung genannt. Diese Bakterien und Pilze haben sicher kein Frustrationsproblem.
Das sind nur einige Beobachtungen aus der „Glasshouse“-Fülle. Es lohnt sich, das Ganze dieser "Weltmaschine" (Malte Römer) zu erfahren. Letzterer hat auch die Installation mit dem so klaren wie ironisch-rätselhaftem Titel konstruiert: "Kraftwerk zur Gewinnung von Fußschweiß als regenerative Energiequelle". Keine Scheu. Treten Sie auf die Platte.
Zu Beginn hat KISS-Vorsitzender Martin König die zahlreichen Gäste begrüßt und den vielen Unterstützern gedankt. Er ruft das Bibelwort aus dem 1. Buch Moses in Erinnerung „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan“. Nicht ohne die daraus resultierende Verpflichtung zu formulieren: „Herrschaft hat immer mit Verantwortung zu tun.“
Info: Die Ausstellung wird bis 30. Juli samstags von 14-18 Uhr, sonn- und feiertags von 11-18 Uhr gezeigt; www.kiss-untergroeningen.de
Wolfgang Nußbaumer
(17.03.23)