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"Ich sing´ für die Verrückten, die keiner Weltanschauung nützen."

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Im kommenden Mai wäre er 91 Jahre alt geworden: Hanns-Dieter Hüsch.

2005 starb der Ausnahmekabarettist, und wer ihn noch von den Auftritten her kennt, weiß um sein knappes "Tach zusammen". Auch klingt der charakteristischen Ton seiner Philicorda-Orgel noch gut im Ohr. Er spielte gnadenlos nach eigener Virtuosität - mal fortissimo, mal pianissimo. Zu Hüschs 90 nahm sich im vergangenen Jahr der Leiter des Deutschen Kabarettarchivs  Jürgen Kessler des wohl bekanntesten literarischen Kabarettisten der Republik an, um ihn als Autor, Schauspieler, Liedermacher, Rundfunkmoderator und selbstredend als Kabarettist in Erinnerung zu rufen. Aalens Kulturreihe „Wortgewaltig“ brachte das Programm an den Kocher. Eine gute Entscheidung, steht doch „Wortgewaltig“ im Geiste Schubarts und damit auch ganz nah bei Hüsch, dem intellektuellen Querulanten.


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Die Bühne ist lediglich mit Tisch und Stuhl ausgestattet. Statt der Orgel, kommt ein E-Piano zum Einsatz. Holk Freytag tritt hinterm Vorhang hervor, setzt sich und schauspielert den Hüsch. Im Tonfall, in der Gestik und Mimik – verblüffend gut.  Die szenische Lesung "Und sie bewegt dich noch" beginnt mit „altvertrauten“ Hüsch-Texten, die das Publikum in Hüschs An- und Einsichten eintauchen lassen. Jürgen Kessler tritt hinzu, mimt Hüschs Agenten. Originalzitate und Nachempfundenes wechseln sich ab, zeichnen ein Bild, das Hüsch-Fans so oder ähnlich noch heute im Kopf haben. Irmgard Haub, die Dritte im Bunde, singt die Hüsch-Lieder, zum Auftakt dessen „Abendlied“.


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Alles neu macht der Mai? Von wegen, denn „die Seele, das uralte Ding, ist nicht zu erneuern.“ Der Mensch, diese „dressierte Eintagsfliege“, ist nun mal nicht perfekt, weshalb er dem „Poeten der kritischen Phantasie“, wie Ex-Bundespräsident Johannes Rau Hüsch nannte, zur skeptischen Betrachtung dient. Hanns-Dieter Hüsch wuchs in den 1930er Jahren in der niederrheinischen Kreisstadt Moers auf. „Alles, was ich bin, ist niederrheinisch“, und „Niederrhein ist überall“, bekannte er einmal im Bewusstsein, wie unverrückbar er von seinem Geburtsort, von „seinem kleinen Moers“ geprägt war.


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Das Trio des Kabarettarchivs vergaß freilich nicht an Hüschs Dreispitz zu erinnern, eine seiner liebsten und zugleich offen zu Schau getragenen Attitüde, hervorgehoben in der Napoleon-Szene, bei „Von Austerlitz bis Gallenstein“, in der er seinem Publikum verkündet: „Ich habe mein Waterloo hinter mir, ihr habt es noch vor euch.“ Eher eine Verunsicherung?    Sicher ist, hier offenbart sich die real existierende Kraft Hüschscher Texte, dieses unterschwellige wie alles und jeden durchdringende Gefühl, unmittelbar vom Kabarettisten in rhythmischer Prosa ins Visier genommen zu werden.


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Hüschs Liedern, Gedichte, Collagen und Satiren zielten immer auch auf die Zuhörerschaft. Nicht nur das Große draußen in der fremden Welt interessierte ihn, sondern auch die Komplizenschaft im Kleinen, diese zeitlose Verbindungslinie hin zum Nebensitzer, besser zu jedem einzelnen Zuhörer. Dafür stehen die Geschichten, Allerweltsereignisse und Alltagserlebnisse, in denen sich so mancher erkennt. „Menschengeschichten. Banalitäten. Nebensächliches. Unbedeutendes. Aber jeder fühlt sich angesprochen, sogar ertappt und lacht hoffentlich über sich selbst. Und die Erzählungen nehmen kein Ende. Ich erzähle von mir, meiner Frau, von meinem Gegenüber, von der Welt und meinem Hund, von uns allen, von Euch, von den Alten, den Jungen, den Verlierern und Gewinnern, von den Vorurteilen und den Nachreden: Meine Geschichten, die auch Eure oder Ihre Geschichten sein können, denn wir sind alle Säugetiere und mit Haut und Haaren, Leib und Seele verwandt. Und davon zu erzählen, war schon immer meine Lieblingsbeschäftigung“, gestand Hanns-Dieter einst. Irmgard Haub greift zum treffenden Lied: „Ich möchte ein Clown sein“. Ein Liedtext, in dem der Kabarettist als gelungener Mix aus Charlie Chaplin und Jesus erscheint, aber dennoch der ewig zweifelnde Clown, Lyriker und Anti-Kabarettist bleibt.


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Wer Hüsch zuhörte, hatte indes auch das unterschwellige Gefühl, er mache Kabarett nur für sich, er sei einer, der im stillen Kämmerlein an Gott und der Welt zu verzweifeln droht und deshalb seine in Verse gesetzte Grübelei nur als Zwiegespräch eines Dichters mit seinen Gedanken versteht.
„Und sie bewegt sich noch“ liefert aber nicht nur ein gelungenes Urbild von Hans-Dieter Hüsch, sondern folgt dessen Intention auch in aktuellen Beiträgen. Als der Vorhang fällt" und das Publikum glaubt, das war´s, setzt das Trio zum kritischen Blick auf die heutige Kabarettszene an. Angesicht dieser mutmaßt Hanns-Dieter von seiner Wolke herab: "Es läuft nicht gut dort unten.“ In Augenschein nimmt er die Comedy-Szene, bei der es ganz antikabarettistisch (mit wenigen Ausnahmen) um Spaß, Geld und Kult geht, obwohl eingedenk des miserablen Zustands von Politik und Gesellschaft eigentlich ein Levitenlesen notwendig wäre. Aber die Kabarettisten wurden in Rente oder sonst wohin geschickt, Hauptsache weg. „Unsereins schreibt nicht mehr, unsereins schweigt“ – ein hübsches Hüsch-Zitat? Schwamm drüber oder wie Hüsch bei seinen Auftritten zu sagen pflegte: „Guten Morgen, guten Abend".

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