Deutschland Bildungswunderland?
- geschrieben von -uss
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Was sind Deutschlands wichtigste Bodenschätze? Von Kretschmann bis Merkel und der früheren Ministerpräsidentin des Saarländles, AKK, herrscht Einverständnis: Bildung und nochmals Bildung. Deshalb investieren Bund und Länder was immer die Staatsfinanzen hergeben in Forschung und Ausbildung. Ein Wunderland. Wäre da nicht die Schwester des Wunders, das Märchen. Mit Kohle ist schon längst keine Kohle mehr zu machen. Ob schwarz oder braun (die Kohle), ihr Abbau kostet nur, muss subventioniert werden, macht Ärger. Die Steinkohle steht tatsächlich vor dem Aus. Wo in Essen einst die Zeche Zollverein das schwarze Gold ans Tageslicht geholt hat, warten heute ein fantastisches Bergbaumuseum und ein wahrlich buntes Designmuseum auf die Besucher. Insofern hat die Bildung dort bereits den ohnehin auf dem Index der Klimaschützer stehenden Bodenschatz ausgestochen. Ähnliches kann man in Bochum mit seinem Schaubergwerk erleben. Tatsächlich blinken da nur einzelne Leuchttürme.
"Bildungsrepublik" in Zahlen
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Elf Jahre sind es her, dass Bund und Länder die „Bildungsrepublik“ ausgerufen haben. Verschiedene ambitionierte Ziele hat man sich gesetzt. Unterm Strich herrscht Ernüchterung. Lediglich die Studienanfänger- und die Weiterbildungsquoten von 40 bis 50 Prozent sind erreicht worden. In Finnland liegt die Abschlussquote für die Mittlere Reife deutlich über 90 Prozent; die meisten Schülerinnen und Schüler lernen weiter bis zum Abitur, das immer noch fast 90 Prozent von ihnen absolvieren. In Deutschland lag diese Quote 2018 im Durchschnitt bei rund 40 Prozent. Spitzenreiter ist der Stadtstaat Hamburg mit 54,8 Prozent; Schlusslicht ist überraschend Bayern mit 32,1 Prozent, während Baden-Württemberg mit 42,4 Prozent immerhin noch Platz 5 belegt. Wie sieht es mit der Forschung aus? Nur ein kleines Schlaglicht: Wer in der Medizin forscht, speziell in den Grenzbereichen zu anderen Disziplinen, kann es gleich bleiben lassen, wenn er nicht genügend sogenannte "Drittmittel" außerhalb der Uni auftreiben kann. Das heißt, bei Stiftungen anzuklopfen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft das Projekt schmackhaft machen, oder die schwerreiche Pharmaindustrie anzubaggern. Letzteres heißt häufig einen Pakt mit dem Beelzebub zu schließen. Denn gefördert wird, was gefällt, also Aussicht auf deutliche Gewinne verspricht.
An den Finnen ein Beispiel nehmen
Bildungsforscher haben errechnet, dass in der Bundesrepublik die Ausgaben für Bildung sogar gesunken sind. Das mag mit der föderalen Struktur und der Kulturhoheit der Länder zu tun haben. Insofern mag ein Vergleich mit den finnischen Verhältnissen etwas hinken. Fakt ist jedoch, dass bei den Nordmännern eine Schulklasse maximal 20 Schüler haben soll. Noch viel wichtiger scheint jedoch das Ansehen und das soziale Prestige zu sein, das die Lehrerinnen und Lehrer dort genießen. Obwohl sie im Vergleich mit Deutschland schlechter bezahlt sind, bewerben sich auf 100 freie Studienplätze seit Jahren rund 1000 Abiturienten. Das sind zehn Prozent des jeweiligen Jahrgangs. Und nicht die schlechtesten. Dem hohen Sozialprestige geschuldet ist auch die Tatsache, dass die Finnen kein Problem haben, Bewerber für die akademische Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher zu finden.
Hierzulande indes korreliert das Lehrergehalt nicht mit dem Ansehen. Daran trägt die Kultuspolitik ein gerüttelt Maß an Schuld. Nur ein Beispiel: Wer Gymnasiallehrer an Grundschulen einsetzen möchte, weil es dort wegen katastrophaler Planung an Pädagogen fehlt, und – noch schlimmer – Lehrkräfte, die als Feuerwehr fungieren, während der Sommerferien am ausgestreckten Arm verhungern lassen, muss sich nicht wundern, wenn die Guten der Kultusministerin Susanne Eisenmann eine lange Nase zeigen und zum Beispiel in der Schweiz anheuern. Wobei sie für die in der Vergangenheit falsch gestellten Weichen nichts kann.
Die Bildung geht baden
Das zeitigt fatale Folgen. Kinder sind ein unverzichtbarer Wechsel auf eine gesicherte Zukunft für die Älteren. Nun wird im Musterländle jedoch nur noch an jeder vierten Grundschule Schwimmunterricht erteilt. Weil kein Schwimmbad in zeitlich erreichbarer Nähe ist – und weil qualifizierte Lehrer fehlen. Deshalb ertrinken hier bundesweit am meisten Kinder. Den Eltern die Verantwortung dafür zuzuschieben, dass ihr Nachwuchs schwimmen kann, wie es Eisenmann tut, ist angesichts der traurigen Fakten erbärmlich.
Klettert man in der Schulkarriere nach oben bis zum Abitur, stellt man fest, dass sich die Notendurchschnitte zwar verbessert haben. Gleichzeitig beklagen die Hochschulen mangelnde Fähigkeiten zum Beginn eines Grundstudiums. Das Gymnasium versagt in seiner Hauptaufgabe, weil die Anforderungen konsequent nach unten geschraubt werden. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Deutschland Bildungswunderland? Von wegen, im Sumpf von föderaler Hochnäsigkeit und wuchernder Bürokratie treibt es mit seinem wichtigsten Schatz Schindluder. Weiter so im Jahr 2020? Hoffentlich nicht!
Wolfgang Nußbaumer