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Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen

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Von wegen, viele Köche verderben den Brei. Zumindest bei der Neuproduktion von Guiseppe Verdis Oper „Nabucco“ durch die Oper Pforzheim waren gleich vier am Werk: Caroline Stolz, Thomas Münstermann, Alexander May und Guido Markowitz.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wobei bei der Aufführung klar war: Die Aalener Stadthalle ist nicht die Arena di Verona. Aber, die Aalener Opernfreunde haben mit den Pforzheimern in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise bei Bizets "Carmen" und Mozarts "Zauberflöte". Nun also "Nabucco".
Vielleicht ließen sich die rund 1000 Besucher von Verdis berühmter Oper anlocken, vielleicht auch nur von deren Soundtrack "Va, pensiero, sull'ali dorate - Flieg, Gedanke, auf goldenen Flügeln". Zu Zeiten des SDR-Moderators Wolfgang Walker der Hörer-Wunschhit schlechthin. Lange musste das Publikum nicht auf die eingängige Melodie warten, wurde sie doch eingangs von den Hornisten der Badischen Philharmonie nicht ohne gewisse Pathetik intoniert.

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Das Orchester im Graben, die Bühne frei für Sänger und Chor. Freie Hand auch für Bühnenbildner Dirk Göpfert:  Schwarze Wände wechseln mit bunten, mit Kleidern behangenen. In  sich drehbar bilden sie je nach Situation offene beziehungsweise bedrängende Räume. Und noch ein Einfall: Im vierten Akt herrscht Abigail abgehoben von der Spitze einer mehrere Meter hochragenden  Stoffpuppe herab. Die Kostüme der Akteure zeigen sich übrigens auffallend stilisiert, zu Beginn asketisch in Schwarz und Weiß, im Laufe der dreistündigen Aufführung entwickeln sie sich gen moderner Alltagskleidung (Kostüme: Ruth Groß).

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Die Zuschauer sitzen im Halbdunkel, während das Orchester mit "Va, pensiero" in die Ouvertüre anstimmt. Der Vorhang öffnet sich, die Bühne ein in schwarz gehaltener düsterer Tempelsaal. Reglos posiert Zacharias, der Hohepriester der Juden, um ihn herum Frauen, Soldaten und Leviten, die scheinbar in überdimensionierten Gesetzesbüchern lesen. Der Auftakt zu einer Geschichte um die babylonische Gefangenschaft der Israeliten. Was sich hier auftut, geriert sich erkennbar zeitlos. Die Hybris des Menschen mit all ihrer Gewalt ist kein singuläres Geschehen, sie kommt in allen Zeiten und allen Gesellschaften vor. Verdi wusste darum und wusste, es in Szene zu setzen.

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Die Pforzheimer Inszenierung versinnbildlicht diese historische Erfahrung und das Wissen um das transkulturelle Wesen des Menschen, indem es den Chor nicht nur italienisch, sondern auch  deutsch, hebräisch und persisch singen lässt. Wie in vergangenen Zeiten offenbart sich so die Kluft zwischen Herrschenden und Beherrschten, verweist mit dem babylonischen Sprachgewirr zugleich auf vergangene und gegenwärtige Krisen.  Ein Regieeinfall, der sich vor dem Lied des Gefangenenchors dadurch zum Prinzip erhebt, dass der erste Satz aus „Va pensiero“, dieses fordernd lyrische "Flieg, Gedanke" in verschiedensten Sprachen eindringlich rezitiert wird. bevor dann der Chor in der gesungenen Vollversion folgt.

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"Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen,
flieg, umschwebe die Hügel, die Höhen,
wo die linden, die fächelnden Lüfte
süß und weich in sich tragen der Heimaterde Duft."

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Übrigens mit einem Coup de Theatre als i-Tüpfelchen: Nicht nur  der Opernchor des Theaters Pforzheim stimmt in die aufwühlende Rhythmen ein, auch drei Chöre aus der Region sind mit
dabei und sorgen so für ein berührendes Klagelied, das sich als stimmgewaltiger Weckruf entpuppt. Und nachdem auch das Theaterpublikum mitsingen darf, gibt es verständlicherweise lang anhaltenden wie begeisterten Applaus. Besser hätte Verdis Botschaft und der nun auf der Bühne sichtbar werdende Zeitsprung in die Gegenwart nicht vermittelt werden können. Mit diesem Wandel einher, verändern sich die stilisierten Handlungsabläufe der Darsteller als Kollektiv, die Bewegungen der Akteure individualisieren sich, lassen sich nun unterscheiden. Modernes Theater zieht ein, der Fokus liegt auf zwischenmenschlichen Beziehungen, die innere Haltung der Protagonisten kommt zum Vorschein.

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Und die Musik? Gesungen wurde fabelhaft, zumindest in Anbetracht der akustischen Möglichkeiten in der Stadthalle. Wobei besonders Soojin Moon hervorgehoben werden darf, die facettenreich Abigails Weg zur rachsüchtigen Herrscherin gesanglich bravourös mit koloraturgewandten Sopran verdeutlichte. Ergreifend ihre gesungene Reminiszenz an bessere Zeiten: "Anch'io dischiuso un giorno - Auch ich öffnete einst mein Herz".  In Nichts nach steht ihr mit nuancenreichem Bariton Ivan Krutikov als Nabucco. Eindrucksvoll die Szene, in der er dem Wahnsinn verfällt, sich selbst zum Gott erhebt - eine Hybris, die die Regie mit grellem Blitzgewitter versinnbildlicht.

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Als Nabucco-Tochter Fenena, die den Feldherrn Ismael (Kwonsoo  Jeon mit forschem Tenor) liebt und wegen ihm zum jüdischen Glauben übertritt, singt Danielle Rohr mit zart zurückhaltendem Sopran. Bleibt noch Aleksandar Stefanoski als präsenter Zacharias, der mit  sonorem Bass den gefangenen Israeliten tröstende Autorität ist.

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Auffallend frisch erklingen unter der Leitung von Markus Huber die bläserbetonten Partitur, wobei er mit seiner Badischen Philharmonie zugleich die inhaltlichen Wendemarken musikalisch hervorhob. Mit "Nabucco" verdeutlichte die Pforzheimer, wie wichtig neben hervorragenden Einzelleistungen die aller Mitwirkenden ist. In Aalen funktionierte das Prinzip Ensemble Theater jedenfalls bestens. Was nicht zuletzt der rauschende Beifall des Publikums belegte.

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