Woellwarths Uraufführung Empfehlung

Simin Tander und Uwe Steinmetz, hingegeben an die Musik. Simin Tander und Uwe Steinmetz, hingegeben an die Musik. Fotos: Hartmut Hientzsch
Die Augustinuskirche bildete den glänzenden akustischen Raum für die Jazz Night der Europäischen Kirchenmusik.
Ein Doppelkonzert erlebten die zahlreichen Besucher. Fragte man sich zuvor, wie wohl eine Jazznacht in den Kirchenraum passt, wurde man bereits mit den ersten zarten Tönen der Gesangsstimme eines Besseren belehrt. 
 
Zunächst unbegleitet setzt die junge Jazzsängerin Simin Tander ein. Ganz intim mit verhaltener Ruhe entströmt der Song an den Mond dem Mund der Sängerin im eleganten grünen Kleid. Der englische Text „The Moon is a Harsh Mistress“, ein herbe Geliebte,  betrachtet la luna poetisch als Frau. In vielen europäischen Sprachen ist das Geschlecht des Mondes bekanntlich weiblich. 
 
Langsam schreitet sie ins Kirchenschiff, gefolgt von Uwe Steinmetz mit dem Saxofon. Dezent tönen aus dem Hintergrund leise Orgeltöne. Steinmetz verlässt den Kirchenraum. Es folgt schließlich Tander. Die letzten Verse des Songs hallen von außen nach. Von der Empore präsentiert das Trio mit Daniel Stickan an der Orgel die vielschichtigen Songs von Joni Mitchell, Leonard Cohen, Bob Dylan und anderen. Erstmals singen und spielen die Drei im Rücken des Publikums, wie Tander bekennt. Für ein Kirchenpublikum nichts Ungewöhnliches. 
 
Die eigenen Arrangements zu den amerikanischen Singer-Songwriter-Größen entfalten eine besondere atmosphärische Dichte. Leonard Cohens „Sisters of Mercy“ verströmt Trost bis zu einer geradezu expressiven religiösen Reinigung, intoniert vom Sopransaxofon. Eindrücke der Natur versinnbildlichen Gedanken und Gefühle. Spontanen Applaus erhält „River Man“. Dunkle Orgelregister kontrastieren mit hellen Tönen und die Flöte jubiliert zu Summertime.
 
Dylans „The Times they are a-changing“ wird abgelöst von einem Song in Paschtu. Expressiv bis zum geradezu unbändig orgiastischen Ausbruch findet der Song ein versöhnliches Ende. Als kleine Zugabe gibt das Trio unverstärkt Tom Waits „Take me home“ zum Abschluss des lyrischen Teils von vorn aus dem Kirchenschiff.
Jazz-Night 6_Foto Hartmut Hientzsch.jpg
 
Heiß erwartet wird nach der Pause Moritz von Woellwarth mit seinem Abstrakt Orchester. Zehn Musiker präsentieren echte Jazzmusik mit viel Improvisation, Leidenschaft und Risikofreude. Neben den Bläsern wirken mit Kontrabass, Perkussionsinstrumente, Schlagzeug, Gitarre, Keyboard und Melodica. Der Komponist von Woellwarth setzt sich auf eigene Weise mit Melodien und Gedanken der Reformation auseinander. Aus Jazzstücken und Choralbearbeitungen hat er eine Jazz-Suite komponiert, „Re-Formation“ betitelt, die anlässlich des Kirchenmusikfestivals uraufgeführt wurde.  
 
Melodielinien und Staccato leiten das Intro: „Nichts geht mehr“ ein. Eindrucksvoll erklingen Klarinette, Flügelhorn, Saxofon und Posaune vor dem Klangteppich aus Percussionsinstrumenten. Die Gitarre singt begleitet vom Bass. Melancholische Stimmung verbreitet das Flügelhorn in einem Solo, bis schließlich die Posaune mit dunkler Grundierung hinzukommt.  
 
Aus der harmonischen Vielstimmigkeit lässt sich „Nun komm, der Heiden Heiland“ heraushören. Die Choralbearbeitung mit Bass-Intro  und Bläsern erhält begeisterten Applaus. Chromatische Chorallinien haben den Komponisten zu seiner Bearbeitung inspiriert. Wie Glockenschläge erklingen die Perkussionsinstrumente. Die dichter werdende disharmonische Klangtextur entlässt eine neue Melodie. Aus der chaotischen Vielstimmigkeit erhebt sich immer wieder ein instrumentales Solo. Die Gitarre wird geerdet von Bass und Percussion. Die Lichtregie taucht Decke und Wände in rotes und blaues Licht. Als Zugabe bedanken sich die fünf Bläser mit der weihnachtlichen Weise „Maria durch den Dornwald ging“.
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