Bunter Friedensappell Empfehlung
- geschrieben von -uss
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Die Text-Musik-Collage „Nathan next door“ in der Merkez Moschee in Aalen ist ein vielstimmiges Bekenntnis zu Friede und Wertschätzung.
In der Mitte der Längswand des Konferenzraumes der Merkez Moschee an der Ulmer Straße in Aalen hängt ein Plakat. Es zeigt die durch drei Ringe verbundenen Symbole des Judentums, des Christentums und des Islam vor dem Hintergrund eines Dreiecks, des Dreifaltigkeitssymbols.
Aus ihm blickt nicht nur ein Auge Gottes, sondern gleich zwei fixieren den Betrachter. Zusammen mit dem Schriftzug „Nathan next door“ erzählt das Plakat die Quintessenz der szenisch-musikalischen Lesung zu Lessings Schauspiel „Nathan der Weise“.
Diese Station des soziokulturellen Projekts „Boulevard Ulmer Straße“, mit dem das Theater der Stadt Aalen anlässlich seines 25-jährigen Bestehens im Rahmen des staatlich geförderten Programms "Gemeinsam sind wir bunt" seine Nachbarschaft erkundet, hat Sonntagnachmittag eine überwältigende Publikumsresonanz gefunden. Etliche der über 200 in Alter, Geschlecht und Konfession bunt gemischten Gäste mussten stehend erleben, wie sechs Schauspielerinnen und Schauspieler Texte aus dem „Nathan“ lasen; ge- und begleitet von acht Sängerinnen und Sängern des evangelischen „Chörle“ unter Leitung von Thomas Haller und mystischen Texten des Islam, die Imam Gökdere vortrug.
Offensichtlich hat sich Tina Brüggemann bei ihrem Titel von der Tragikomödie „The people next door“ des schottischen Autors Henry Adams inspirieren lassen, mit der einst die Vorgängerin des neuen Teams, Katharina Kreuzhage, ihre Intendanz eröffnet hat. Darin wird die Geschichte des neurotischen Junkies Nigel erzählt, den ein durchgeknallter Vorstadtinspektor zum Spitzeldienst in einer Moschee pressen will. Eine vergleichbare Konstellation kommt zwar auch in Lessings „Nathan“ vor, allerdings nicht in Brüggemanns Textauswahl.
Dass der Minichor mit dem geistlichen Lied „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy diese von Regisseurin Tina Brüggemann in Szene gesetzte Lesung eröffnet und in deren Mitte mit dessen Vokalwerk „Verleih uns Frieden“ für eine sehr fein timbrierte Zäsur gesorgt hat, schlägt den Bogen zu Stück und dessen Hintergrund. Gotthold Ephraim Lessing hat mit seinem wegweisenden aufklärerisch-humanistischem Drama dem großen jüdischen Philosophen und Großvater des Komponisten, Moses Mendelssohn, ein literarisches Denkmal gesetzt. Gerade deshalb hätte es diese Veranstaltung vollends geadelt, wenn auch die deutsche jüdische Gemeinde im Projekt vertreten gewesen wäre.
Rund um die Ringparabel, die auf die gegenseitig respektierte Gleichstellung der drei großen monotheistischen Religionen hinführt, hatte die Chefdramaturgin des Theaters ihre Auswahl der Lessing’schen Blankverse gruppiert. Sie billigt den entscheidenden Satz Nathans Pflegetochter Recha zu, die, wie sich im weiteren Verlauf des Dramas herausstellt, christliche Eltern hat: „Was ist das für ein Gott, der für sich muss kämpfen lassen?“ Dieser Gott wäre kein Gott, weil Gott die Liebe ist.
Nach den Worten des mittelalterlichen persischen Mystikers „Mevlana“ ist Gott der, den man im Herzen trägt. Da konnte passend nur noch der Schlussappell vom Moschee-Mann Muammar Ermis folgen: „Lassen sie uns einander lieben.“
Wenn das denn so einfach wäre. Kann man in seinem Hinterkopf die aktuelle Entwicklung in der Türkei des „Sultans“ Erdogan ausblenden. Nicht daran denken, dass der Verein DITIB von der türkischen Regierung finanziert wird und die Imame in deren Auftrag predigen? Nun mag das vielleicht in der Merkez Moschee keine Rolle spielen, weil der Aalener Verein mit dem Unrechtsstaat der AKP nichts zu tun haben möchte. Dann, ja dann, möchte man gerne zusammen mit dem „Chörle“ in die jüdische Friedenshymne „Shalom chaverim“ einstimmen, die auch zum Schatz der Kirchenlieder des evangelischen Gesangbuches gehört: „Friede sei mit euch, Freunde“. -uss