Walzerselig am schönen trüben Neckar
- geschrieben von -uss
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Schwungvolles Neujahrskonzert mit dem Staatsorchester Stuttgart unter Manfred Honeck.
Nach dem Katastrophenjahr 2015 hat dieses strahlende Lied „Freunde, das Leben ist lebenswert“ aus Franz Lehárs 1934 (!) entstandenen Operette „Giuditta“ für das Publikum des Neujahrskonzertes mit dem Staatsorchester Stuttgart wie ein programmatischer Appell geklungen. Mit dem Dreivierteltakt als Herzschrittmacher hat es der fantastische Manfred Honeck beschwingt und glücklich auf den Weg durch 2016 geschickt.
Mit dem Walzerklassiker von Johann Strauss „An der schönen blauen Donau“ hat der ehemalige Generalmusikdirektor der Oper Stuttgart das Wiedersehen mit „seinem“ Orchester und dem Publikum, das ihn immer noch verehrt, im voll besetzten Opernhaus am eher trüben Neckar überschrieben. Ganz in der Tradition des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker hat der gebürtige Österreicher und Wahlwiener alles aufgetischt, was die Herren Komponisten von Franz von Suppé bis Carl Michael Ziehrer mit süffiger Qualität zu Papier gebracht haben. Von der Ouvertüre zur Suppé-Operette „Dichter und Bauer“ bis zum in Walzerseligkeit schwelgenden Finale an besagter „blauen Donau“. Quasi das weltliche Pendant zum Eingangschor der 1. Kantate von Bachs „Weihnachtsoratorium“, „Jauchzet, frohlocket“.
Die vermeintlich leichte, weil so unbeschwert harmonisch klingende Kost hat der charmante Magier Manfred Honeck mit dem Taktstock teuflisch gut gewürzt. Mit dem wie ein geölter Blitz funktionierenden Orchester und einem exzellenten Gesangsduo hat er einen schon berauschenden Dialog mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörern geführt. Diese waren offensichtlich spätestens nach der Polka „Ohne Sorgen“ von Josef Strauss hin und weg, und zumindest in diesem Augenblick selbst aller Sorgen ledig.
Die Arienperlen haben die Sopranistin Simone Schneider („Meine Lippen, sie küssen so heiß“ aus „Giuditta“) und der Tenor Matthias Klink („Als flotter Geist“ aus dem „Zigeunerbaron“) mit unnachahmlicher Verve aufpoliert. In dem Duett „Lippen schweigen“ aus Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ umarmen sich das geschmeidig helle Timbre Klinks und die sinnlich strahlende Klangfülle der unangefochtenen „Königin der Nacht“ schließlich auf köstlich lustvolle Weise.
Was es mit den Ratschen auf sich hat, die fünf goldige Dirndl-Mädchen in der „Plappermäulchen-Polka“ von Josef Strauss bedienen, erklärt Rafael Rennicke im aufschlussreichen Programmheft. Sie seien „eine wunderbare klangliche Entsprechung für die im Titel erwähnten Kinder, die so gerne plappern“ (also ratschen).
Ratschen wird man sicher noch einige Zeit über diese Aufführung. Besonders über den Gag des Orchesters, das zum Donauwalzer Regenschirme aufspannte. Ein Wink mit dem Parapluie, dass nicht nur das Dach des Opernhauses dringend saniert werden muss. jow