Ein Stück Heimat mitgebracht Empfehlung
- geschrieben von -uss
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In der LEA in Ellwangen hat der geflüchtete syrische Pianist Aeham Ahmad mit seinen Liedern einen bewegenden, herrlichen Abend lang Geborgenheit vermittelt.
Die Leiterin des „Hotelbetriebes“ in der LEA Ellwangen weiß, wann es dem „sehr guten Psychologen“ der Landeserstaufnahmestelle selbst schlecht geht. Dann liest sie den Kummer in seinen Augen. Und sie weiß, dass die Geflüchteten, die er betreut, ihm wieder ganz schlimme Erfahrungen offenbart haben. „Erlebnisse, die wir nicht wirklich erfahren möchten“, deutet sie deren grauenvolle Dimension an.
Am Donnerstagabend ist dem Psychologen ein Syrer draußen in der ehemaligen Kaserne zur Seite gestanden. Nahezu auf den Tag genau vor einem Jahr hat der Pianist Aeham Ahmad auf seiner langen Flucht aus Damaskus Deutschland erreicht. Seinen Landsleuten und vielen anderen Bewohnern der LEA hat er ein Stück Heimat mitgebracht. Mit seinen Liedern und seinem prickelnden Spiel hat er Balsam auf ihre wunden Seelen geträufelt. Ein paar Stunden Freude und Ausgelassenheit statt Schmerz und Trauer.
Im Flüchtlingscamp Jarmuk bei Damaskus, wohin sein Großvater schon 1948 geflohen war, hat er auf den Straßen mit seinem Klavier und seinen Liedern versucht, den Menschen im Bürgerkrieg etwas Freude und Hoffnung zu vermitteln. Bis die Islamisten sein Instrument verbrannten und er selbst einen Granatsplitter in die linke Hand bekam. Damit war der Traum des Pianisten, der schon mit fünf Jahren Klavierunterricht erhalten hatte, von einer Karriere als Virtuose ebenfalls ausgeträumt.
Obwohl. Was der sympathische 28 Jahre junge Musiker vor weit über 300 Bewohnern der LEA und Besuchern von außerhalb des Zauns auf dem weiten Platz vor der großen Halle aus den Tasten eines E-Pianos gezaubert hat, lässt vermuten, dass sein Traum doch noch Wirklichkeit wird. Immerhin hat ihn die Stadt Bonn im Dezember 2015 bereits mit dem Internationalen Beethovenpreis geehrt.
In der Erstaufnahmestelle in Ellwangen, an der er schon einmal mit einem Flüchtlingsbus vorbeigefahren ist, wie er sich erinnert, mischt er kunterbunt syrische Volkslieder und traditionelle Songs mit Eigenkompositionen und Stücken von Mozart und Beethoven. Ein kulturelles Crossover, das an diesem Abend in der LEA wunderbar funktioniert. Bis Geflüchtete und Einheimische vor der Bühne zusammen singen und tanzen und der Pianist von einer Kinderschar fast erdrückt wird. Der stellvertretende Leiter der LEA, Roland Herzog, kann da all den Helferinnen und Helfern, die für die Technik, Organisation und die leckeren syrischen Happen gesorgt hatten, aus tiefem Herzen kommend nur noch "Danke" sagen.
Zuvor hatte der junge Mohamed aus Ellwangen als „special guest“ sein Rapper-Talent unter Beweis gestellt. Mit zwei deutschen und einem syrischen Rap, in denen er den Krieg und den Terror geißelt und den Frieden beschwört, traf er tief unter die Haut. Als nach der Pause ein Syrer aus der LEA-Kochbrigade zur packenden Klavierbegleitung von Aeham Ahmad mit voll tönender Stimme ein Liebeslied für seine Frau singt, gibt es kein Halten mehr. Braun und Schwarz und Weiß spürten intensiv, dass die eine Welt aller Welt ist. In der ein kleiner Junge mit einer Weihnachtszipfelmütze durch die Reihen wirbelt und zurückhaltende Schwaben plötzlich in syrische Refrains einstimmen. Was für eine herrlich bunte Welt. Wenigstens für einen Abend lang. jow